Wenn das Trauma hochkommt

Der Krieg macht Angst: In Altenheimen steigt der Gesprächsbedarf
Rodgau – Der Krieg in der Ukraine lässt bei vielen älteren Menschen Erinnerungen aufleben. Tod, Vertreibung und Flucht kennen sie aus eigenem Erleben und Leid. Insbesondere bei dementen Menschen ist es schwierig, sie wieder zu beruhigen. In einer Offenbacher Pflegeeinrichtung hat man eine Art Gegenprogramm zur Kriegsberichterstattung entwickelt: Unterhaltsame Spielfilme und Schlager im Gemeinschaftsraum sollen dazu beitragen, dass Ängste nicht die Hauptrolle spielen.
Wie andere Heime und Einrichtungen, die Senioren betreuen, mit dem Thema Krieg umgehen, wollten wir in Rodgau wissen. Im privat geführten Haus Elfriede in Rollwald etwa sorgt Agathe Stoewe mit ihren Kollegen und Kolleginnen generell für gute Stimmung – soweit das eben in Corona-Zeiten möglich ist.
Ob Heimzeitung oder Gesprächsthemen, die Betreuerin sieht es als ihre Aufgabe an, ein wenig Optimismus zu verbreiten: „Ich achte darauf, dass nicht alles düster ist“, sagt die Pflegekraft. In Einzelgesprächen könne man ein wenig dagegen arbeiten. Ob es gestiegene Energiekosten sind, oder ein Bewohner aus der Ukraine kommt und ihn der Krieg besonders bewegt – jemanden aus dem Tief zu holen, sei schwieriger, als dafür zu sorgen, dass der Absturz erst gar nicht so schwerwiegend werde, meint Stoewe. Eine demente Bewohnerin habe lange gebraucht, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Monika Hummel, Leiterin der Seniorenresidenz Haus Julia in Weiskirchen, erzählt: „Man merkt einfach, dass es einen anderen Redebedarf gibt.“ „Wir bieten Gespräche an und lassen Musik im Haus laufen.“ Die Situation in der Ukraine rege zum Erzählen an und wühle auf. „Da geht es um Ängste und sehr bewegende Dinge, die jetzt ausgelöst worden sind.“ Die Betroffenheit habe sich auch in der großen Hilfsaktion niedergeschlagen, an der sich das Haus – wie berichtet – beteiligt habe. „Ganz konkret etwas tun zu können, hat auch den Bewohnern gut getan“, meint Monika Hummel.
Im Gretel-Egner-Haus hat Leiter Philip Staab beobachtet, dass es für manche der Senioren traumatisierend ist, was durch den Krieg in der Ukraine wieder hochkommt. „Wir haben Bewohner, die haben die Tageszeitung und einen Fernseher im Zimmer und wieder andere, die sich gar nicht mit Medien beschäftigen und zum Teil absichtlich vermeiden“, erzählt er. Bei manchen lösen die aktuellen Ereignisse größeren Redebedarf aus, dem komme man in Einzel- und Gruppengesprächen nach, berichtet der Heimleiter.
Von den Mitarbeiterinnen der Rodgauer Sozialstation ist nicht zur Pflegedienstleitung vorgedrungen, dass Ängste und Gesprächsbedarf ihrer Patienten zugenommen hätten. Dafür haben sich Spendenwillige gemeldet, die den Menschen in oder aus der Ukraine helfen wollen: Patienten, Angehörige, aber auch Firmen, die mit der Sozialstation zusammenarbeiten, erzählt Renate Koser. (siw)