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„Wir wollen nicht der Billigste sein“

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Von: Ekkehard Wolf

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Markus Ebel-Waldmann Geschäftsführer EVR GmbH
Markus Ebel-Waldmann, Geschäftsführer der Energieversorgung Rodau GmbH © Privat

Mit einem drastischen Anstieg der Strompreise sehen sich auch die rund 4 500 Kunden der Energieversorgung Rodau GmbH (EVR) konfrontiert. Die bisherigen Verträge mit zwölf Monaten Preisgarantie laufen nach und nach aus. Gibt es einen Ausweg aus der Preisspirale? Markus Ebel-Waldmann, einer der beiden EVR-Geschäftsführer, stellt sich den Fragen unserer Zeitung.

Wer vor einem Jahr als Neukunde zur EVR kam, muss jetzt mehr als das Doppelte für den Haushaltsstrom bezahlen. Warum?

Die Beschaffungskosten sind allein von Juni 2021 bis Juni 2022 von 6 auf 26 Cent pro Kilowattstunde gestiegen, also um mehr als 400 Prozent. Das hatten wir noch nie. In der Vergangenheit haben sich die Einkaufspreise höchstens mal um 20 Prozent plus oder minus verändert.

Und wie wird es weitergehen?

Kein seriöser Anbieter gibt eine Preisprognose ab. Das wäre absolut unverantwortlich.

Wie oft hat die EVR seit Anfang 2021 ihre Strompreise erhöht?

Nicht häufiger als davor. Sie müssen sich vorstellen: Im normalen Markt haben Sie jeden Tag Neukunden. Da kommen immer wieder welche dazu mit unterschiedlichen Laufzeiten, zu unterschiedlichen Preisen, mit und ohne Preisgarantie. Das heißt anders herum: Jeden Monat laufen Verträge aus und stehen zur Preisanpassung an.

Wie reagieren Ihre Kunden auf die jüngste Preiserhöhung?

Die Reaktionen zeigen, dass die Kunden sehr sensibilisiert sind für das Thema Energiepreise. Die häufigste Frage ist: Kommen wir mit unserer Abschlagszahlung noch aus? Können wir sie freiwillig auch etwas höher setzen? Viele Kunden fragen uns auch nach Tipps zum Energiesparen. Solche Tipps geben wir im Übrigen schon seit Jahren. Natürlich gefällt es keinem, dass die Preise steigen. Noch vor zwei Jahren haben manche Leute den Versorger gewechselt, wenn wir aus irgendeinem Grund mal vier, fünf Cent erhöht haben. Wegen vier, fünf Cent würde heute kein Mensch mehr anrufen.

Warum bieten Sie keine Preisgarantie für zwölf Monate mehr an? Andere Stromversorger schaffen das doch auch.

Bisher waren wir abgesichert durch die Mengen, die wir kontrahiert, also auf Termin eingekauft hatten. Heute ändern sich die Preise stündlich. Wenn Sie in dieser Situation Bindungen über einen längeren Zeitraum eingehen, ist das im Risikomanagement äußerst schwierig abzubilden. Jede Preisanpassung löst rechtlich ein Sonderkündigungsrecht aus. Wenn die Preise zurückgehen, was wir alle hoffen, hätten wir große Mengen an teuer eingekauftem Strom, aber vielleicht nicht genügend Abnehmer.

Warum verlangen Sie unterschiedliche Preise für Haushalts-, Wärmepumpen- und Autostrom? Die Bezugskosten sind doch gleich hoch, egal wofür der Strom verwendet wird.

Da gibt es tatsächlich eine Differenz. Die Abweichungen sind aber nicht sehr hoch. Das hängt an unterschiedliche Netzentgelten, aber auch an den Vorlieferanten. Für Autostrom zum Beispiel haben wir andere Verträge. Dazu kommen noch vertriebliche Dinge. Beispielsweise können wir unsere Rodaustromkunden besser stellen als solche, die sonst mit uns nichts zu tun haben. Das ist ein Kundenbindungsinstrument. Wer Rodaustrom bezieht, eine Wallbox bei uns kauft, Carsharing macht oder eine Autostromkarte hat, der ist bei uns ganz vorne. Wir wollen nicht der Billigste sein, aber wir wollen attraktive Angebote machen.

Wie wirken sich die steigenden Strompreise auf die Nachfrage nach Photovoltaik aus?

Diese Frage habe ich befürchtet. Wir werden überrannt. Es ist schwer geworden, überhaupt Termine anzugeben, wann die Anlage errichtet werden kann. Vor ein, zwei Jahren konnte man drei Monate rechnen. Das schaffen wir im Moment, wenn überhaupt, nur mit Standardanlagen. Bei komplexeren Anlagen sind wir im nächsten Jahr. Die Verfügbarkeit des Materials hat sich bei den Modulen zwar etwas entspannt, bei den Speichern ist es aber eine Katastrophe: Da nennt einem keiner einen verbindlichen Liefertermin. Die Verknappung führt zu steigenden Preisen; deshalb haben unsere Angebote nur noch eine 14-tägige Preisbindung. Außerdem spüren wir den Fachkräftemangel: Wir sind händeringend auf der Suche nach Elektrikern, Elektroniker und Planungsingenieuren.

Was bedeutet der Verlust der Stromkonzession Rodgau-Nord für die EVR?

Da müssen wir zwei Dinge auseinanderhalten. Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt bezog sich ausschließlich auf den Prozess, den die Energieversorgung Offenbach gegen die Stadt Rodgau geführt hat. Dort ging es im Kern darum: Ist die Vergabe so gelaufen, dass der Konzessionsvertrag, der mit uns geschlossen wurde, einwandfrei ist? Wir als Energieversorgung Rodau haben dieses Verfahren bisher nur vom Spielfeldrand beobachtet. Auch wir haben ein Interesse, dass das schnellstmöglich geklärt wird. Das hängt damit zusammen, dass wir als EVR gegen die EVO/ENO auf Herausgabe des Netzes geklagt haben. Darüber ist noch nicht entschieden. Wenn es bei dem OLG-Urteil bleibt, ist der Konzessionsvertrag nichtig, weil die Grundlage dafür fehlt. Unsere Anwälte sind zurzeit dabei, die Urteilsbegründung zu lesen und auszuwerten. Grundsätzlich sind Stromnetze ein wesentliches Geschäftsfeld unseres Unternehmens, aber auch nur eines von mehreren Geschäftsfeldern. Die EVR ist so breit aufgestellt, dass das Urteil für uns zwar sehr ärgerlich ist, aber keine existenzgefährdenden Auswirkungen hat. Unsere Wachstumsfelder sind Stromvertrieb und Wärmeversorgung.

Ein Blick nach vorne: Wann geht das erste Sonnenstromkraftwerk in Rodgau in Betrieb?

Meinen Sie damit Freiflächen-Photovoltaik? Wir sind guter Hoffnung, dass das 2024 der Fall sein kann. Von der Planung her sind wir so weit, dass wir schon 2023 starten könnten. Aber dafür sind komplexe Genehmigungsverfahren notwendig. Für Rollwald muss zum Beispiel der Flächennutzungsplan geändert werden. Außerdem braucht man in Deutschland auch für eine Photovoltaikanlage eine Baugenehmigung. Ich freue mich über jeden Monat, den es schneller geht. Ich habe noch die Worte des Bundeswirtschaftsministers vom Anfang des Jahres in Erinnerung, wo von Bürokratieabbau und beschleunigten Genehmigungsverfahren die Rede war.

So eine Photovoltaikanlage braucht auch einen starken Anschluss ans Stromnetz. Könnte es dabei Probleme geben?

Der Netzanschluss ist bei einer Anlage dieser Größenordnung immer ein zentraler Punkt. Da gibt es verschiedene Varianten. Diese Varianten haben Vor- und Nachteile, was die Kosten angeht und was die Schnelligkeit der Realisierung angeht. Das haben wir bei der Voruntersuchung schon geprüft. Die Kosten des Netzanschlusses sind eingepreist, in auskömmlichem Umfang, wie Kaufleute sagen. An der Wirtschaftlichkeit hat sich seither nichts geändert: Die Kosten der Module sind gestiegen, aber der Erlös aus der Stromerzeugung auch.

Und wann können Autofahrer in Rodgau erstmals Wasserstoff tanken?

Ich bin guter Dinge, dass das im ersten Quartal 2024 der Fall sein wird. Die Vorentwurfsplanung ist weitgehend abgeschlossen. Ob wir den Wasserstoff von Anfang an schon selbst erzeugen oder von Partnern beziehen, hängt davon ab, wie weit wir mit der Photovoltaik sind.

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