„Ausgebremst und von oben herab behandelt“ – Zirkus um Wohnung für Ukraine-Geflüchtete

Die meisten Ukraine-Geflüchteten kommen in Rodgau privat unter. Die Stadt vermittelt zwar Wohnraum, von 70 Wohnungen im Angebot hat sie derzeit aber nur drei vergeben.
Rodgau – Derzeit kann die Stadt zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine auf 70 Wohnungen und ein Haus zurückgreifen – vom Einzimmerappartement bis zur Mehrzimmerwohnung. Tatsächlich gemietet, aber noch nicht alle belegt, hat die Stadt fünf Wohnungen und ein Haus – meist möbliert und bezugsfertig.
Diese Woche will die Stadt ein weiteres Angebot eines Wohnungsbesitzers annehmen und einen Mietvertrag abschließen. Aktuell vergeben an Flüchtlinge sind nur drei Wohnungen – an eine Familie mit vier Personen und zweimal als Quartiere an je fünf Personen. Diese Zahlen nennt die städtische Pressestelle auf Anfrage unserer Zeitung.
Rodgau (Kreis Offenbach): Ukraine-Geflüchtete suchen nach Wohnraum
Demnach sind der Stadt aktuell 15 Partien mit im Schnitt je drei Personen bekannt, die vorübergehend Unterkunft suchen. „Meist handelt es sich um Mütter mit Kindern“, erläutert Stadt-Sprecherin Sabine Hooke. „Sie sind nicht obdachlos, müssen perspektivisch aber umziehen.“
Auf der Suche sei die Stadt nach eher kleineren Einheiten. Angebote gehen an das Büro für Teilhabe im Rathaus, Rufnummer 06106 693 1239 und -1258. Bei einer Begehung werde mit den Vermietern alles geklärt. Zum Beispiel die Frage, wie viele Personen in der Bleibe vorübergehend maximal Platz finden sollen. Dabei richte sich die Stadt nach Vorgaben und Belegungsschlüsseln des Sozialamts beim Kreis Offenbach, da dieses möglicherweise die Mietkosten übernehme. „Es kommt zum Beispiel nicht in Frage, dass nur zwei Personen in eine 80-Quadratmeter-Wohnung ziehen“, nennt Sabine Hooke ein Beispiel. Nicht jedes Angebot von Wohnungsbesitzern nehme die Stadt an. Außer den Fakten müsse es „auch menschlich stimmen“.
Ukraine-Geflüchtete im Kreis Offenbach: Vermieter fühlt sich von Stadt Rodgau ausgebremst
Das funktioniert nicht immer. Vermieter Achim Hitzel, zum Beispiel, fühlt sich von der Stadt in seinem Bemühen zu helfen, „ausgebremst, schikaniert, schlecht informiert und von oben herab behandelt“, wie er sagt. Der Servicetechniker aus Hainhausen hatte der Stadt eine 54-Quadratmeterwohnung angeboten. Über diverse Streitfragen kam es zwischen ihm und der Stadt schließlich zum Bruch. Die Stadt kündigte den zum 1. April abgeschlossenen Mietvertrag über die 1,5 Zimmer (Schlafzimmer, Wohnessraum, Bad, Toilette) an der Jügesheimer Straße bereits am 11. April fristgerecht zum Monatsende. Doch im Einzelnen:
Hitzel argumentiert, die Stadt habe im Mietvertrag darauf bestanden, dass in der kleinen Wohnung bis zu vier Personen unterkommen sollen. Er habe darauf hingewiesen, dass maximal drei möglich seien – vergeblich. Strittig war auch, wer ein von der Stadt gewünschtes Zusatzbett samt Matratze organisiert und aufbaut.
Stadt-Sprecherin Sabine Hooke versichert, Vermieter Hitzel habe das erledigen wollen. Dieser sagt, das sei anders vereinbart worden. Auch an Haftungsfragen bei möglichen Schäden am Mobiliar (Einbauküche, Bett, Sitzgruppe, Mikrowelle etc.) spielten in dem Streit eine Rolle. Achim Hitzel reicht der Hinweis im Mietvertrag nicht, bei grober Fahrlässigkeit bestehe Haftung seitens des Vermieters (der Stadt). Das sei auslegungsfähig.
Rodgau (Kreis Offenbach): Streit zwischen Vermieter und Stadt
Irritationen gab es auch um die Miete. Der Außendienstler wollte zunächst gar keine Miete. „Ich will helfen, sonst nichts.“ Als die Stadt das Thema aber wieder aufs Tablett brachte, einigte man sich auf 250 Euro plus 60 Euro Umlagen je Person.
„Das Geld wollte ich für Opfer aus der Ukraine dann spenden.“ Knatsch gab es überdies darum, wer den Wohnungsschlüssel bekommt – die Stadt oder die Personen, die einziehen. „Das ging so weit, dass die Stadt zuletzt nach der Kündigung meinen Schlüssel nicht herausgerückt hat, weil sie rein rechtlich bis 30. April Mieter sei. Am 2. Mai könnte ich mir den Schlüssel dann ja im Rathaus abholen.“
Unterkunft für Ukraine-Geflüchtete in Rodgau: Vermieter und Stadt im Streit
Sabine Hooke berichtet von „immer kleinteiligeren Fragen und unverständlichen Reaktionen“ des Vermieters. Alles sei „leider sehr schnell kompliziert und zunehmend unschön geworden“. Der Vermieter habe auf die in den Mietvertrag eingearbeiteten Nachbesserungen zunächst nicht einmal reagiert.
Der Außendienstler wiederum fühlt sich mit seinen Fragen im Rathaus nicht ernst genommen, spricht von „Paragrafenreiterei, Engstirnigkeit und nicht angemessener Rhetorik.“ Kompliziert gemacht habe die Sache allein die Stadt.
Achim Hitzel hat seinen Wohnungsschlüssel übrigens inzwischen bekommen. Städtische Mitarbeiter haben ihn an der Jügesheimer Straße vorbeigebracht. Der Hainhäuser möchte seine Wohnung jetzt privat vergeben. „Vielleicht übers Rote Kreuz oder die Malteser. Und die Miete werde ich spenden.“
In Rodgau wurde eine Sporthalle vorläufig zur Unterbringung von Geflüchteten vorbereitet. Nun wurde die Notunterkunft wieder abgebaut.