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Rödermark: 28 Monate Haft für Gefälligkeit

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Von: Stefan Mangold

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Kein Schulabschluss, keine Ausbildung, eine Drogenkarriere, die mit 13 begann. Der 27-jährige K. aus Rödermark sammelte bereits etliche Vorstrafen und mehrere Jahre Gefängnis. Durch das Urteil des Offenbacher Schöffengerichts kommen wegen Beihilfe zum Drogenhandel weitere 28 Monate Knast hinzu.

Es wirkt glaubhaft, wenn K. dem Vorsitzenden Richter Manfred Beck versichert: „Ich habe nicht nur kriminelle Freunde, darunter sind auch Studierte, solche, die jetzt Arzt werden“. Der Mann artikuliert erstaunlich eloquent.

In die aktuelle Malaise brachte ihn nach eigener Aussage ein Kumpel aus der minder gesetzestreuen Fraktion seiner Bekannten. Staatsanwalt Dirk Schillhahn wirft K. vor, er habe am 7. Juli 2021 in Ober-Roden auf einem Parkplatz an der Odenwaldstraße dem gesondert verfolgten T. einen Beutel mit drei Kilo Marihuana übergeben. Drogenfahnder hatten T., der mittlerweile eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren absitzt, schon länger observiert. Die Polizei hatte das Telefonat vor der Übergabe in Rödermark abgehört und den Besitzerwechsel der Tüte fotografiert.

Rechtsanwältin Tabea Späth erklärt, ihr Mandant gestehe zwar, werde aber nicht erzählen, wer ihm für die drei Kilo Marihuana als Zwischenboten eingesetzt habe. Der Angeklagte selbst behauptet, er habe dafür nichts bekommen, weder Drogen, noch Geld.

Auf Nachfrage von Richter Beck erklärt der Mann, er habe die Schule ohne Abschluss verlassen. Beck will wissen, wie das kommt: „Sie wirken doch gar nicht dumm?“ Als Jugendlicher habe er nicht erkannt, wie wichtig Schule sei.

Der Mann gehört offensichtlich zu den Charakteren, denen es stets gelingt, ein Hindernis zu finden, über das sie stolpern. In einer Entziehungsanstalt hatte K. während einer dreijährigen Jugendstrafe wegen Raubs die Chance, wenigstens den Hauptschulabschluss nachzuholen. Das klappte nicht, weil er sich mit dem Lehrer nicht verstanden habe.

Gearbeitet habe er nie, weil er zu wenig verdient hätte. Vor allem die Mutter halte ihn an, er solle aus seinem Leben endlich etwas machen: „Auch wenn ich nicht viel Geld brauche, ich kann nicht ewig meinen Eltern auf der Tasche liegen.“ Er konsumiere wenig Kokain, aber sehr viel Cannabis. Er wisse oft nicht, wie er sich verhalten soll. Dann raucht er zu jedem Anlass einen Joint.

Staatsanwalt Schillhahn konstatiert, „richtig schlau werde ich weder aus dem Angeklagten, noch aus seiner Tat“. Er könne nicht verstehen, wie jemand, der nur auf Bewährung draußen rumläuft, aus Gefälligkeit „412 Gramm an reinem THC übergibt“, das 55-fache der Menge, die nicht mehr als gering gilt. Der Angeklagte sei zwar in der Lage, „zu reflektieren, wie sein Leben laufen sollte, im Leben selbst kommt aber nichts“. Schillhahn fordert 22 Monate.

Verteidigerin Späth erklärt, eine Bewährung komme nicht in Frage. Ihr Mandant habe einem vermeintlichen Freund einen Gefallen getan, ansonsten großes Interesse, sich einer Therapie zu unterziehen: „Einen konkreten Antrag stelle ich nicht.“

Der Angeklagte trägt noch ein in der U-Haft notiertes Schriftstück von sich vor, er spricht von Vorurteilen und mangelnder Bereitschaft, einander zuzuhören. Richter Beck lobt, „das ist gut geschrieben, machen Sie was in der Richtung“.

Allerdings hält das den Vorsitzenden und die beiden Schöffen nicht davon ab, ihn zu einer Haftstrafe von 28 Monaten zu verurteilen. „Die Ermittlungen zeigen, dass sie beim Drogenhandel eine feste Rolle ausfüllten.“ Die Geschichte vom Freund, dem man einen Wunsch erfüllte, sei nicht glaubhaft. Dem Angeklagten gibt Beck mit auf dem Weg, seine Haltung zum Leben zu ändern: „So öffnet kein Sozialarbeiter seinen Laptop, um ihren Antrag auf Therapie zu schreiben.“ (Stefan Mangold)

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