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Rödermark: Adam Löbig war „de Gewellde“

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Von: Michael Löw

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Der Geschichte auf der Spur: 225 ausgiebig erläuterte und dazu einige nicht vollständig zu verifizierende in Urberach beheimatete Uz- oder Spitznamen hat Herbert Sulzmann in seinem Buch gesammelt.
Rödermark: Der Geschichte auf der Spur: 225 ausgiebig erläuterte und dazu einige nicht vollständig zu verifizierende in Urberach beheimatete Uz- oder Spitznamen hat Herbert Sulzmann in seinem Buch gesammelt. © Christine Ziesecke

225 Orwischer Spitz-, Uz- und Alias-Namen hat der Namens- und Familienforscher Herbert Sulzmann aus Rödermark-Urberach über die Jahre gesammelt und in einem Buch veröffentlicht. Die Spanne umfasst das ganze Alphabet und reicht von „de Aa“ (So wurde der aus Messel stammende Adam Gruber, der im Haus zwischen der Kirche und der Bäckerei Böffinger gewohnt hat, und auch dessen 1929 geborener Sohn Reinhard genannt. ) bis zu „de Zogger“.

Rödermark - Ein „Zogger“ ist allerdings kein hessischer Zocker: Die Messeler sagten „Zogger“ zum Zucker, und so kam der 1906 geborene Tobias Wenschel zu seinem Spitznamen. Verheiratet war „de Zogger“ mit der „Stoabocks Marie“, einer Schwester von „Stoabocks Käthe“. Alle ihre Nachfahren wurden als „Zogger“ tituliert. Oder man hat auch von „Tobusse“ gesprochen – der Mehrzahl von Tobias.

Zu den 225 ausgiebig interpretierten und im Buch farbig hinterlegten Namen kommt noch eine Seite mit Namen, „bei denen die Recherchen nicht so ergiebig waren“, wie Herbert Sulzmann zugibt, etwa beim „Schrumpel“ aus der Bahnhofstraße oder beim „Bottsche“ Michael Götz, der im Borneck wohnte.

Das Buch ist ein geradezu unersetzbarer Schatz an historischem Grundwissen, das mittlerweile glücklicherweise auch in das „digitale Gedächtnis“ des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV) im Töpfermuseum eingearbeitet wurde und dort online abrufbar ist. „Ich habe ja beim HGV immer schon mal Namen gesammelt und Bruchstücke aufgeschrieben. Doch wenn ich das jetzt nicht, von einigen Leuten unterstützt, schriftlich gemacht hätte, würde das verloren gehen, weil sich ja sonst kein Mensch damit beschäftigt“, sagt Sulzmann.

Und der Verfasser freut sich selbst immer wieder über so manche seiner Fundstücke, die er akribisch gesammelt und in Form gebracht hat. Die Geschichte der „Bäckermichels“ etwa, die der ältesten noch existierenden Bäckerei im ganzen Umkreis (seit 1762) entstammen. Der ungefähr 1830 geborene Michael Lang und seine Nachkommen wurden allesamt so tituliert. Egal ob „de Bäckermichels-Karl“, „-Emil“, „-Peter“, „-Sepp“ oder „-Kättche“.

„Die Hildegard Lang hat sich dann allerdings den Löbig aus Münster geholt, woraus Lang-Löbig wurde. Aber die Bäckerei wird heute noch mit ‚de Bäckermichel’ bezeichnet“, erläutert Herbert Sulzmann. Zum Lachen bringt ihn auch heute noch „de Baonsch“: Peter Groh (Jahrgang 1890) hatte an der Hauptstraße eine Tankstelle. Für die Zweitakt-Motorräder mischte – lästerlich formuliert: alias panschte – er Öl und Benzin zusammen, was ihm wohl den wenig rühmlichen Namen einbrachte. Peter Groh ärgerte sich sehr darüber, doch alle um ihn herum bekamen Uznamen ab. Sein Bruder war „der Kohn“, und seine Neffen hießen „de Fio“ oder „die Beern“.

Und für echte Orwischer noch etwas zum Thema „ Gewellde“, also Pellkartoffeln. Zu dem 1925 geborenen Adam Löbig sagten seine Freunde immer: „Du mescht jao wirrer e Gesicht wie e Gewellde!“ Der Mann mit dem runzligen Gesicht war der Neffe vom „,Gehste“, vom „Schäi“ und vom „Schnalle Balzer“.

Wer sich über solche garantiert nicht zufällig entstandenen Namen amüsieren kann: Das Buch der 225 Orwischer Spitz-, Zu- und Aliasnamen wurde nach einem ersten Probelauf neu aufgelegt und ist bei Herbert Sulzmann oder aber im Töpfermuseum beim Heimat- und Geschichtsverein zu erwerben und ist ein steter Quell von Vergnügen, aber auch von unendlich vielen Informationen, die sonst verloren gehen würden. Doch Herbert Sulzmann weiß ja, wie man’s macht: Wenn er nicht gerade in Sachen Recherche im Ort unterwegs ist, hält er sich im Fitness-Studio jung oder aber im Staatsarchiv in Darmstadt, wo er in Hessen geborenen Menschen dabei hilft, ihren Wurzeln nachzugehen. Seine eigene Familiengeschichte ist schon seit Jahren fertig. 540 Personen zurück bis in die Zeit vor 1600 hat er gefunden.

» Kontakt: Herbert Sulzmann, Telefon 06074 50211; herbert.sulzmann@t-online.de. (Christine Ziesecke)

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