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Rödermark: Der Gefahr ins Auge sehen

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Von: Michael Löw

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Gut 20 Quadratmeter groß sind die Planen, die Matthias Schickedanz vors Feuerwehrauto gelegt hat. Sie zeigen den berühmt-berüchtigten toten Winkel, den Lkw-Fahrer trotz immenser Spiegeltechnik nicht einsehen können. Er hat viel Platz für unsichtbare Fußgänger und Radfahrer.
Gut 20 Quadratmeter groß sind die Planen, die Matthias Schickedanz vors Feuerwehrauto gelegt hat. Sie zeigen den berühmt-berüchtigten toten Winkel, den Lkw-Fahrer trotz immenser Spiegeltechnik nicht einsehen können. Er hat viel Platz für unsichtbare Fußgänger und Radfahrer. © Michael Löw

140 Radfahrer und Fußgänger werden pro Jahr beim Abbiegen von Lastwagen überrollt und getötet. Schüler aus Rödermark lernen, den toten Winkel richtig einzuschätzen.

Rödermark - Sie standen oder fuhren im toten Winkel – also jenem Bereich, den ein Lkw-Fahrer trotz einer Spiegelwand am rechten Seitenfenster nicht einsehen kann. 70 Prozent der tödlichen Unfälle passierten laut Statistik des Bundesverkehrsministeriums, weil die späteren Opfer den Lkw in der vermeintlich sicheren Entfernung von zwei bis fünf Meter passieren wollten oder dort warteten. Die Zahl der Verletzten ist viel höher: Das Ministerium registrierte fast 10 000 Tote-Winkel-Unfälle mit Personenschäden.

Die Viertklässler der Trinkbornschule wissen seit Mittwoch, wie gefährlich das sein kann. Matthias Schickedanz, Risiko-Manager bei einem Lkw-Versicherer in Hamburg, hat den toten Winkel vor und neben einem Feuerwehrauto markiert, das auf dem Pausenhof parkte. Ein Kind nach dem anderen konnte vom Fahrersitz aus kontrollieren, was zu sehen war. Oder eben nicht zu sehen war. Im toten Winkel haben locker fünf Mädchen Platz, die – so das Szenario des Risiko-Managers – drei, vier Meter vorm abbiegenden Lkw über die Straße wollten. Sie hätten im Ernstfall vielleicht noch zurückspringen können. Der Klassenkamerad, der quasi an der Bordsteinkante stand, hätte dagegen nicht den Hauch Chance gehabt.

Matthias Schickedanz gab den Kindern einen Überlebenstipp mit auf den Weg: „Was ihr nicht sehen könnt, kann auch euch nicht sehen!“ Wer sich einem wartenden Lkw nähert, muss Blickkontakt zum Fahrer suchen. Nur dann wird er auch von ihm gesehen – sofern der nicht gerade aufs Handy oder Navi guckt. Bleibt der Mann oder die Frau am Steuer unsichtbar, gibt"s nur eines: mindestens vier bis fünf Schritte zurückgehen.

Mehrere Kinder erzählten von Beinahe-Unfälle im toten Winkel, die glücklicherweise glimpflich ausgingen. Meist saßen sie dabei im sicheren Auto, das vom Fahrer eines anderen Auto übersehen wurde. Nada (11) wäre jedoch beinahe auf dem Weg zum Spielplatz in eine solch gefährliche Situation hineingeradelt. Ihre Mutter bremste sie noch rechtzeitig.

Matthias Schickedanz kennt die Tote-Winkel-Problematik aus allen Perspektiven. Die Versicherung, für die er arbeitet, betreibt natürlich auch Unfallprävention – unter anderem mit den Planen, die er vors Feuerwehrauto legte. Mit deren Hilfe kann ein Lkw-Fahrer die vier Spiegel, die allein an der Beifahrerseite montiert sind, so einstellen, dass er 95 Prozent des Umfelds überblicken kann. Der tote Winkel ist immer noch groß genug.

Schickedanz erlebt berufsbedingt aber auch immer mehr Radfahrer, denen er nur ein Attribut an den Lenker hängen kann: lebensmüde. Je größer eine Stadt ist, so seine Erfahrung jüngst aus Berlin, desto mehr Kamikazeradler sind unterwegs. Sie missverstehen eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik mit Extraspuren und dergleichen als Freibrief. Eine gesunde Vorsicht lassen sie häufig außer acht und vergessen dabei eins: Ihr einziger Schutz gegen den abbiegenden 40-Tonner ist ein 250 bis 300 Gramm leichter Helm. Die Grabsteinaufschrift „Er hatte recht!“ ist für die Angehörigen kein Trost.

Die Trinkborn-Viertklässler versprachen in der Schlussrunde natürlich, das Gelernte nicht in einem toten Winkel ihres Gehirns verschwinden zu lassen. (Michael Löw)

So nah kommt Theo hoffentlich nie mehr einem Laster, der zum Beispiel vor einer Ampel aufs Abbiegen wartet. Die Trinkborn-Viertklässler wissen seit gestern, dass Nähe tödlich sein kann.
So nah kommt Theo hoffentlich nie mehr einem Laster, der zum Beispiel vor einer Ampel aufs Abbiegen wartet. Die Trinkborn-Viertklässler wissen seit gestern, dass Nähe tödlich sein kann. © Michael Löw

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