Die Politik bummelt zu viel

Ende 2016 hatte Jan Sittig sein Maschinenbau-Studium beendet, suchte einen Job und hatte Zeit. Politik hatte ihn schon immer interessiert. „Da bin ich halt mal in eine Sitzung des Bauausschusses reingeplatzt“, schildert er seine erste Begegnung mit den Gremien des Parlaments.
Ober-Roden - Unbekannte Besucher sind selten im Sitzungssaal. Deshalb fiel der heute 23-Jährige dem Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler (FWR), Peter Schröder, auf – und der sprach ihn an. Die FWR träfen sich als Bürgerfraktion, in der man ohne Mitgliedschaft mitreden kann. So habe er ungebunden Einblicke bekommen und „vor allem gleich das Gefühl bekommen, dass Input erwünscht ist“. Ein Anwerbeversuch der FDP lief angesichts dieser Konstellation ins Leere.
Ein Schlüsselerlebnis, das ihn zur Politik führte, hatte Jan Sittig nie gehabt. Aber die „aufgerührte politische Landschaft“ reizte ihn. Mit der hohen Belastung der Urberacher Hauptstraßen, dem Siedlungsdruck auf alle Stadtteile und der Digitalisierung hat Rödermark genug Themen, die er im Parlament angehen will. Seiner Ansicht nach kann nur eine digital gut aufgestellte Verwaltung Ideen und Vorschläge der Bürger schnell umsetzen.
Auch in Sachen Ortsumgehung Urberach zieht Sittig einen Vergleich aus der Digitaltechnik heran: „30 Jahre sind eine lange Zeit, ohne dass sich etwas bewegt hat. Aber vor 30 Jahren hatte man auch noch kein Handy. Und heute ersetzt es den Computer.“ Das Smartphone, das die Automassen um Urberach herumführt, ohne die Nachbarstädte zu vergrätzen, muss aber erst gefunden werden...
Mit seinen 23 Jahren gehört Jan Sittig nicht mehr unbedingt in die Generation Jugend. Aber der will der FWR-Mann – ähnlich wie seine grüne Kollegin Paula Huss – einen Ort zum Wohlfühlen verschaffen.
Junge Leute sollen dort grillen können, „ohne das bei der Feuerwehr anmelden zu müssen“, und „auch mal über die Stränge schlagen dürfen“. Und wie Paula Huss hat er dafür das Gelände hinter dem Badehaus in Urberach im Auge.
Egal, ob jung oder alt: Naturschutz, Nachhaltigkeit und Klimawandel sind längst Begriffe, um die sich jeder Politiker Gedanken macht. „Es gibt aber nicht nur eine Maßnahme, etwas für die Natur zu tun“, fordert Jan Sittig ein breites Denken. Man dürfe nicht alle Bemühungen auf – oder besser gegen – das Auto fokussieren und gut geheizte Häuser verteufeln: „Ich will im Winter jedenfalls nicht in eine Decke eingewickelt durch die Wohnung laufen.“
Wenn Jan Sittig nicht gerade Politik macht, geht er mit Freunden Rad, Inliner oder Kanu fahren. Der im Breidert aufgewachsene Ober-Röder wandert gern und spielt(e) Handball und Tennis beim BSC Urberach. Und ganz männer-untypisch reitet er, denn in seiner Clique gibt es auch Freundinnen mit Pferden.
Den Ende 2016 gesuchten Job hat Jan Sittig übrigens gefunden. Er ist Einkäufer bei der Firma Winkelmann in Ober-Roden und sorgt dafür, dass genug Material da ist, damit zum Beispiel die Bürostühle des ebenfalls in Ober-Roden ansässigen Spezialisten Köhl optimal gefedert sind.
Von Michael Löw