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Rödermark: Eine Nonne und ein Bürgermeister

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Von: Michael Löw

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Brav nach Mädchen und Buben getrennt gingen die heute 82-jährigen Ober-Röder in die Volksschule. Das Ziel der Klassenausflüge war das gleiche: Begleitet vom Lehrer und von Müttern ging's zur „Wacht am Rhein“, dem Niederwalddenkmal.
Brav nach Mädchen und Buben getrennt gingen die heute 82-jährigen Ober-Röder in die Volksschule. Das Ziel der Klassenausflüge war das gleiche: Begleitet vom Lehrer und von Müttern ging"s zur „Wacht am Rhein“, dem Niederwalddenkmal. © -

Das ist selbst in der rührigen Rödermärker Literatenszene ungewöhnlich. Ein Schuljahrgang, der 1940er, hat seine Geschichte in einem Buch aufgeschrieben. Autor Christian Keller, der das 190-Seiten-Werk gestern bei der Magistrats-Pressekonferenz vorstellte, hatte mehr als ein Dutzend Helfer, die Ideen, Texte und Bilder beisteuerten.

Rödermark - Christian Keller sammelte seit Januar 2020 Gedanken. Damals hatte der Jahrgangs-Chor mit 22 Sängerinnen und Sängern in vier Stimmlagen seine letzte Probe vor dem Lockdown. Keller und die über Jahrzehnte zusammen gebliebenen Klassenkameraden hatten mehr Zeit – selbst als Rentner, denen man ja nachsagt, nie welche zu haben.

1940 wurden in Ober-Roden 55 Buben und 39 Mädchen geboren. Fast alle Kinder waren katholisch; lediglich ein Mädchen und drei Jungs waren damals evangelisch. Exoten sozusagen. Zu verdanken hat Christian Keller diese Informationen Pfarrer Elmar Jung, der die Taufbücher der St. Nazarius-Gemeinde für die Recherchen öffnete. Keller hätte diese Fakten gerne von der Stadt bekommen, doch ein seiner Ansicht nach übertriebener Datenschutz verhinderte das.

Eingeschult wurden sechs Jahre später 134 Kinder. Der Zweite Weltkrieg hatte Ober-Roden zur Heimat zahlreicher Vertriebener gemacht. Dazu kamen 14 kleine Ober-Röder aus älteren Jahrgängen. Der Unterricht erfolgte getrennt nach Geschlechtern, es gab eine Jungen- und eine Mädchenklasse.

Christian Keller hat sein Buch chronologisch aufgebaut. Lediglich vorm ersten Kapitel erklärt er die Entstehen des Ortswappens mit dem (Dach)-Sparren des Grafen von Hanau und dem Schwert des Heiligen Nazarius, dem Schutzpatron der Kirche. Das durfte die damals fast 1 200 Jahre alte Gemeinde erst seit 1963 führen.

Der Schulzeit folgen Jugendjahre, Hochzeiten, Berufsfindung und viele, viele gemeinsame Ausflüge, Reisen und Feste. Alle zehn Jahre organisierten die 1940er große Jahrgangsfeten mit teils spektakulären Shows. In den verrückten Achtzigern schnallten sich die nicht mehr ganz jungen Ober-Röder sogar Rollschuhe an und tanzten den „Starlight-Express“.

Der Jahrgang 1940 hat mit Alfons Maurer Rödermarks ersten direkt gewählten Bürgermeister hervorgebracht. Ihm widmet Keller mehrere Seiten.

Ein ganzes Kapitel, „Eine Entscheidung fürs ganze Leben“ hat er der früheren Klassenkameradin Gretel Boppert reserviert. Schon mit 16 wurde sie Novizin, später diente sie als Schwester Evodia in einem Kloster der Benediktinerinnen an der Weser ihrem Glauben.

Der Lockdown am 23. März 2020 hat nicht nur den von Bob Schrod dirigierten Jahrgangs-Chor ausgebremst. Auch die geselligen Aktivitäten kamen zum Erliegen. Christian Keller hat allen Mitschülern und Mitschülerinnen am Telefon zum 80. Geburtstag gratulieren und gefragt, wie sie feiern. Ab Seite 157 ist zu lesen, wer"s noch in großer Runde inklusive Gesang tun konnte, und wer sich auf den engsten Familienkreis beschränken musste. Alle haben sich gefreut, schreibt Keller. Und mancher wunderte sich, dass sich überhaupt noch jemand an ihn erinnerte.

Der aktuelleste Eintrag im Buch ist eine eiserne Hochzeit vom 21. Dezember vorigen Jahres. Am 3. Januar gab Christian Keller den Druckauftrag für 50 Exemplare. Eines davon hat Bürgermeister Jörg Rotter fürs Stadtarchiv erworben.

Die 1940er sind all die Jahre eine Gemeinschaft geblieben. Lediglich von zweien hat Buchautor Keller gar keine Spuren mehr gefunden.

Etwa 60 frühere Schulkameradinnen und -kameraden leben noch. Aber für etliche hat Christian Keller die Trauerrede gehalten. Denn auch das gehört zu seinen Aufgaben im Jahrgangskomitee. (Michael Löw)

Brav nach Mädchen und Buben getrennt gingen die heute 82-jährigen Ober-Röder in die Volksschule. Das Ziel der Klassenausflüge war das gleiche: Begleitet vom Lehrer und von Müttern ging“s zur „Wacht am Rhein“, dem Niederwalddenkmal.
Brav nach Mädchen und Buben getrennt gingen die heute 82-jährigen Ober-Röder in die Volksschule. Das Ziel der Klassenausflüge war das gleiche: Begleitet vom Lehrer und von Müttern ging“s zur „Wacht am Rhein“, dem Niederwalddenkmal. © Löw
Christian Keller stellte die Geschichte seines Jahrgangs gestern in der Kulturhalle vor.
Christian Keller stellte die Geschichte seines Jahrgangs gestern in der Kulturhalle vor. © Michael Löw

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