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Erstwähler in Rödermark fühlen Kandidaten auf den Zahn

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Fünf Wahlkreiskandidaten, befragt von drei Schülern des zwölften Jahrgangs, erläuterten vor den wahlberechtigten Nell-Nreuning-Schülern ihre Parteipositionen.
Fünf Wahlkreiskandidaten, befragt von drei Schülern des zwölften Jahrgangs, erläuterten vor den wahlberechtigten Nell-Nreuning-Schülern ihre Parteipositionen. © Ziesecke

Politik ganz nah bei den Menschen: Das bedeutete in der Nell-Breuning-Schule i Rödermark eine Podiumsveranstaltung für alle wahlberechtigten Oberstufenschüler mit den fünf Vertreterinnen und Vertretern der Listenparteien.

Ober-Roden - Es wurde noch ruhiger als bei den Diskussionen im Fernsehen: freundlich, höflich, kaum Widerworte oder Gegenreden – was unter „Town Hall“, also eine Art Bürgerversammlung, in der Nell-Breuning-Schule angeboten wurde, lief extrem seriös ab. Gut erzogen, gelangweilt oder einfach desinteressiert? Die Schülerinnen und Schüler hörten sich höflich und interessiert die Vorstellung ihrer fünf Wahlreiskandidatinnen und -kandidaten an. Ruhig unten im Pausensaal der Schule, aber auch oben auf der Bühne, wo sich die weitgehend schon lange im Bundestag präsenten Kandidaten Christine Buchholz für die Linke, Dr. Jens Zimmermann für die SPD, Mathias Zeuner (FDP), Patricia Lips (CDU) und Philip Krämer (AL/Grüne) vorstellten.

Eine Vorstellungsrunde und eine Abschlussrunde, die drei großen Themenblöcke Klimapolitik, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik, jeweils mit zwei Schwerpunktfragen dazu, und das bei fünf Kandidaten und knapp eineinhalb Stunden Zeit – da bleibt nicht viel Zeit für direkte Widerrede, was sich denn auch als roter Faden durch die Doppel-Schulstunde zog: zwei Minuten, später spontan auf eineinhalb gekürzt, pro Antwort.

Jeder der Kandidaten und Kandidatinnen war bemüht, möglichst viele Kernaussagen in die Redezeit zu bringen – zum Geplänkel mit- oder gegeneinander blieb da wenig Raum. Dafür gab es tatsächlich viel Informationsgehalt. So kam es auch zu einigen Lachern und vereinzelten Buh-Rufen, als die Linkenvertreterin Christine Buchholz ihren SPD-Kollegen recht emotional fragte, wie er wohl seine von der Partei angesetzten zwölf Euro Mindestlohn mit der FDP zusammen umsetzen wolle. Was den FDP-Kandidaten doch trotz anderer Meinung dazu bewegte, zu versprechen: „Keine Angst, die SPD kann auch mit der FDP koalieren!“

Die meisten der Aussagen rund um zentrale Maßnahmen zur Klimapolitik (mit dem Schlagwort der „dekarbonisierten Energiewirtschaft“ des FDP-Vertreters) und zur Umstellung auf erneuerbare Energien, bezahlbaren Wohnraums, die Chancen und Ungleichheiten rund um Kinderarmut und letztlich die Reduzierung des Schuldenberges und die Frage nach dem Mindestlohn waren – wie auch auf der Ebene des TV-Triells – keineswegs so unterschiedlich.

Rednerinnen und Redner schlossen sich oft den Ausführungen ihrer Vorredner an und ergänzten sie nur gezielt. Spürbar aufmerksamer waren die Schülerinnen und Schüler immer dann, wenn die Antworten auf lokale Gegebenheiten Bezug nahmen, wenn etwa der FDP-Kandidat beim Mindestlohn die Zuhörer ganz konkret ansprach: „Wollen Sie etwa zum Mindestlohn arbeiten? Sie wollen doch später mehr verdienen!“ Oder Patricia Lips beim Wohnungsmarkt doch klare Kante zeigte: „Wer baut hier eigentlich? Wer ist Investor? Das sind junge Familien, ältere Ehepaare, die dann weitervermieten, also Kleinvermieter. „Wenn Sie wollen, dass diese Vermieter weiterhin Wohnraum zur Verfügung stellen, können wir keinen Mietendeckel brauchen!“ Grünen-Kandidat Philip Krämer wiederum betonte den Interessenkonflikt zwischen Naturschutz und Wohnraummangel, der sich gerade im Odenwaldkreis offenbart.

Ruhig war es auch in der offenen Fragerunde, die sich den vom stets souverän eingreifenden Moderatorenteam Khadja Malik, Eric Badenmüller und Aurelian Julius Klößmann vorbereiteten Fragen anschloss. Auf die Nachfrage, was sie an der Politik ihrer Partei anders gemacht hätte, verwies Patricia Lips darauf, dass während der Corona-Zeit manches hätte anders laufen können. Eine weitere Frage ging der Sorge nach, dass erhöhte Unternehmenssteuer die Firmen ins Ausland vertreiben könnten.

Das beantwortete Christine Buchholz damit, dass dies mit großem Aufwand verbunden sei, während Jens Zimmermann klar machte: „Es wäre schon viel erreicht, wenn die Unternehmen die Steuern bezahlen würden, die sie bezahlen müssen!“ Der FDP-Kandidat verwies darauf, dass die weitaus meisten Steuern von kleinen bis mittleren Betrieben gezahlt würden, für die das keine Alternative sei.

Einig waren sich die Parteienvertreter bei der letzten Frage, ob sie in Zukunft etwas gegen Kopftücher in der Öffentlichkeit unternehmen würden. Während Philip Krämerer für eine größere Säkularisierung vor allem in den Schulen warb, gab Patricia Lips zu, dass im Bundestag bei der Diskussion um Nazi-Tattoos anders entscheiden worden sei. Was Frauen mit Kopftuch betreffe: „Wir hatten uns dagegen ausgesprochen.“ Generell ging der Tenor bei allen gegen Bevormundung.

Am Ende stand der Aufruf des Moderatorenteams: „Geht wählen, wenn ihr wählen gehen könnt!“ Daraufhin entschwanden die fünf Politiker samt Wahlplakaten zum nächsten Termin – zufrieden, dass ihnen an der NBS nicht intensiver auf den Zahn gefühlt oder auf die Zehen getreten worden war. (Von Christine Ziesecke)

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