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Rödermark: Auf der falschen Seite der Bemessungsgrenze

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Von: Michael Löw

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Ein paar britische Pennies mehr stehen auf den Rentenbescheiden, die Alma Görner aus England erhält. Doch die Mini-Erhöhung kommt sie teuer zu stehen: Ihr ohnehin bescheidenes Wohngeld sinkt um 19 Euro.
Rödermark: Ein paar britische Pennies mehr stehen auf den Rentenbescheiden, die Alma Görner aus England erhält. Doch die Mini-Erhöhung kommt sie teuer zu stehen: Ihr ohnehin bescheidenes Wohngeld sinkt um 19 Euro. © Michael Löw

Nicht nur der Brexit macht einer Rödermärkerin mit britischen Wurzeln zu schaffen. Alma Görner verzweifelt an grenzüberschreitender Bürokratie und am deutschen Sozialrecht.

Rödermark – Gut zwei Euro mehr britische Rente kosten Alma Görner 19 Euro deutsches Wohngeld. Die 58-Jährige hat – unter anderem – mit der Mini-Erhöhung die Bemessungsgrenze des Sozialamts überschritten und zahlt jetzt drauf. Aber auch Wechselkursschwankungen und ein Rechtsstreit um andere Sozialleistungen kosten sie Geld und Nerven.

Alma Görner ist ein Kind englischer Eltern, lebt aber schon viele Jahre in Rödermark und hat einen deutschen Pass. Die Frührentnerin ist zu 50 Prozent behindert und bezieht seit zwei Jahren Wohngeld. Bis vor Kurzem 167 Euro pro Monat.

Knapp 900 Euro britische Rente, großteils Ansprüche ihrer Mutter, sind die Basis ihres schmalen Einkommens, das sich mit 232,69 Euro deutscher Rente wegen voller Erwerbsminderung auf etwas mehr als 1 100 Euro summiert. Für ihre Wohnung in Ober-Roden zahlt Alma Görner 607 Euro warm, da waren die 167 Euro vom Sozialamt bitter nötig. Doch dann kam die minimal höhere Rente aus England, und der Kreis kappte das Wohngeld um 19 auf 148 Euro, klagt sie.

Das Sozialamt macht die Kürzung indes nicht nur an der Rente fest. Seine Rechnung: Frau Görners „Bedarf“ (Grundsicherung, Miete, Nebenkosten) liegt bei 1 053 Euro pro Monat. Dem steht ein „Einkommen“ (die britischen und deutschen Renten, Wohngeld, Abzüge für Kranken- und andere wichtige Versicherungen) von 1 112,84 Euro gegenüber. Der „Überhang“ von 59,84 Euro ist der Grund, warum der Kreis weitere Leistungen ablehnt.

Die knapp 60 Euro Überschuss waren jedoch Alma Görners Februar-Einkommen. Die Senkung des Wohngeldes kurz danach lässt ihn auf nur noch 40 Euro zusammenschmelzen. Alma Görner beantragt weitere Hilfe, der Kreis lehnt den Antrag ab, Frau Görner legt am 30. Juni Widerspruch ein, der Kreis lehnt ihn vier Wochen später als unbegründet ab.

Wer sich durch die vier Seiten Begründung kämpft, sieht, wie schnell sich Laien im Dschungel der deutschen Sozialbürokratie verirren können. Für die Behörde ist Alma Görners Miete zuerst nicht angemessen (In Rödermark gilt für einen Ein-Personen-Haushalt eine Grenze von 593 Euro.) –, dann doch wieder angemessen. Dazu kommt der Vorwurf, sie habe den Vertrag abgeschlossen, „wohlwissend, dass die Höhe des vereinbarten Mietzinses (...) nicht akzeptiert wird“. Dabei hatte Alma Görner fast zwei Jahre nach Ersatz für ihre alte Drei-Zimmer-Wohnung in Urberach gesucht, für die sie mehr als 1 100 Euro Miete zahlte.

„Der Kreis tut so, als wäre ich eine Betrügerin“, fühlt sich Alma Görner zu Unrecht in die Schublade „Sozialschmarotzerin“ gesteckt. Wie Hohn klingt es in ihren Ohren außerdem, dass Rödermark von der Mietstufe 5 auf Mietstufe 4 heruntergestuft wurde. Für die Berechnung des Wohngeldes spielen die Mietstufen von 1 bis 7 eine elementare Rolle, da sie Aufschluss über die Mietspiegel vieler deutscher Städte und Gemeinden geben, bei denen die Kosten für Wohnraum erheblich voneinander abweichen können.

Sie habe keine Ahnung, wie es weitergeht, seufzt Alma Görner: „Mit dem Geld, das mir zur Verfügung steht, kann ich mich nicht mehr vernünftig ernähren.“ Qualitativ hochwertige Lebensmittel sind für die Frührentnerin inzwischen nahezu unerschwinglicher Luxus. (Michael Löw)

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