Rödermark: Gackernde Therapiehelfer

Der Wert von Tieren für den Pflegealltag ist im Haus Morija in Rödermark längst bekannt. Vorige Woche gackerten im Garten wieder einmal Hühner. „Rent a Huhn“ – eine Aktion des Seligenstädter Bauern Lüft – erfreute die betagten Bewohner. Vor Jahren schon hatte ein Beitrag in unserer Zeitung Ursula Wagner, eine der Alltagsbegleiterinnen, auf die Idee gebracht, das im Haus Morija auszuprobieren.
Rödermark - Die Christusträger-Schwestern waren nur zu gerne einverstanden, und kurze Zeit später kam Michael Lüft mit kleinem Stall und niedrigem Zaun angefahren und ließ fünf Hennen laufen.
Nun ist das Federvieh wieder zurückgekommen, macht im großzügigen Garten Urlaub und bietet den Bewohnern Abwechslung und Erinnerung an frühere Zeiten. „Sie können denen ruhig auch Namen geben; die bekommen eh alle zwei Wochen neue“, schmunzelte der Bauer und versprach, dass es ganz einfach sei, die fünf gackernden Zweibeiner abends in ihr Haus zu bekommen – und dann Klappe zu. Das Praktische: Seitlich am Hühnerhaus angebaut ist die Lege-Ecke. Sie kann von außen geleert werden. Die Produkte wandern geradewegs in die Morija-Küche und kommen als Rührei oder Ähnliches auf den Tisch.
„Das sind schon fast jeden Tag fünf Eier“, freut sich Anja Klein von der Sozialbetreuung. Genauso freut sie sich über das Vergnügen, das die alten Leute haben, die sich am späten Vormittag zu Fuß, mit Rollator oder sogar im Pflegestuhl vorm Zaun treffen. Sie bestaunen das noch warme Ei, das eine Betreuerin aus dem Stall holt, verfolgen jede Bewegung der neuen Mitbewohner und kramen in ihren Erinnerungen.
Unter den Zaungästen ist auch Margot Pratsch (87). Genau weiß sie nicht mehr, wie lange sie schon im Haus Morija ist: „Ich bin nur meinem Mann zuliebe mit hierher gezogen, weil er ohne mich immer weggelaufen ist und mich gesucht hat. Aber er ist längst gestorben und ich bin hier übrig geblieben.“
Sie weiß gut, wie man mit den Hühnern umgeht, und sie wird an ihre Jugend erinnert: „Ich bin die meiste Zeit bei meiner Großmutter aufgewachsen und sie hatte Hühner, Enten, Gänse und Tauben und manches mehr. Da hab ich mich immer um die gekümmert.“ So kann ihr Anja Klein auch guten Gewissens eines der fünf Hühner nach dem Füttern direkt in den Arm drücken. Und erst, als das Federvieh sich wieder freimachen möchte, lässt sie es frei.
Mit großen Augen beobachten alle versammelten Bewohnerinnen und Bewohner das Treiben, bekommen aus dem kleinen Eimer mit den Resten aus der Küche, die nach Bauer Lüft gerne verfüttert werden dürfen, einige Eisbergsalat-Blätter und locken die Hühner damit an. Und im Nu kommen auch die letzten Faulpelze aus dem kompakten kleinen Haus mit der Aufschrift „Rent a Huhn“ und zanken sich hinterm Maschendraht ums größte Blatt.
Am heutigen Montag bekommen die Hühner wieder ihre Ruhe, ehe sie an die nächste Pflegestelle verliehen werden. Bezahlt hat die Aktion der „ProMorija“-Freundeskreis, der auch die finanzielle Absicherung für eine weitere Aktion übernimmt: Die Therapiehunde von Nicole Jäger werden bald wieder vor allem in der beschützenden Wohngruppe „Mohn“ versuchen, die Bewohner durch Erinnerungen und Zuwendung wenigstens zeitweise aus ihrer Isolation zu holen.
Schon bei den ersten Besuchen vor einigen Jahren hatten sie sehr rasch ungewöhnlich auffallende Erfolge erzielt. Die sogenannte tiergestützte Intervention kann bei Demenzkranken, die oft in ihrer eigenen Welt leben, deutliche Wiederkennungsmerkmale auslösen. Tierische Zuwendung braucht jeder Mensch – egal ob über Hund oder Huhn. „Wir nehmen dafür keineswegs unsere Mitgliedsbeiträge oder allgemeine Spenden, sondern nur gezielt dafür gesammelte Spenden“, erläutert „ProMorija“-Vorsitzender Martin Fuchs und ist deshalb Sponsoren wie der Sparda-Bank Hessen umso dankbarer, dass sie den Freundeskreis seit Jahren schon unterstützt.
Kontakt und Informationen: www.promorija.de. Auch die notwendigen Daten für Spenden zum Projekt finden sich hier. (Christine Ziesecke)
