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Rödermark: Gegründet in schwerer Zeit

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Von: Michael Löw

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Der 96-jährige Edmund Seib (Mitte) ist das älteste Mitglied des BSC Urberach. Gemeinsam mit Hans Nostadt und Wilhelm Rebmann war er Ehrengast eines Erzählabends, den die Vorstandsmitglieder Helmut Schwarzkopf und Michael Störmer organisiert hatten.
Rödermark: Der 96-jährige Edmund Seib (Mitte) ist das älteste Mitglied des BSC Urberach. Gemeinsam mit Hans Nostadt und Wilhelm Rebmann war er Ehrengast eines Erzählabends, den die Vorstandsmitglieder Helmut Schwarzkopf und Michael Störmer organisiert hatten. © Jörg Kalkowski

Dieses Glück ist nur wenigen Traditionsvereinen vergönnt: In ihren Reihen gibt es Männer der ersten Stunden, die von der Gründung erzählen können. Der BSC Urberach, der seinen 75. Geburtstag feiert, startete sein Jubiläum mit einer Plauderrunde.

Rödermark – Der Ballsportclub Urberach, der BSC, ist genauso alt wie die Offenbach-Post. Mit ihren 75 Jahren sind beide echte Nachkriegskinder und kamen in schwierigen Zeiten auf die Welt. BSC"ler der ersten Stunden haben deshalb viel zu erzählen.

„Hans komm’ mit, wir gründen einen Verein!“ Mit dieser Aufforderung wurde Hans Nostadt am 22. Juli 1947 von zwei Freunden am Dalles aufgelesen. Dort traf sich damals die Urberacher Jugend zu dem, was man heute abendliches Abhängen nennt. Zusammen mit etwa 40 anderen Sportfreunden zog das Trio in die bei Handballern beliebte Gaststätte „Zum Grünen Baum“, die bei den Einheimischen nur unter dem Namen „Gascht“ bekannt war.

Doch hatte Urberach nicht schon genug Vereine? Nach dem Krieg gab es zunächst den VfL, bei dem zahlreiche Sportarten angesiedelt waren. Wie immer, wenn viele Interessen bedacht werden müssen, gab es Konflikte, die dazu führten, dass sich eine Gruppe vom VfL abspaltete und den FC Viktoria Urberach neu gründete. Dort konzentrierte man sich hauptsächlich auf den Fußball. Wo aber sollten die Handballer hin? Ein Teil wollte beim VfL bleiben, andere wollten zur Viktoria wechseln, und einige wollten gar komplett mit Handball aufhören.

Aber bei der Viktoria gab es seinerzeit keine Aktiven-, sondern nur eine Jugendmannschaft. Und beim VfL spielte Handball höchstens eine Nebenrolle.

Hans Nostadt, Edmund Seib und Wilhelm Rebmann, die von Helmut Schwarzkopf und Michael Störmer zu einem „Historischen Erzählabend“ eingeladen waren, erinnern sich noch heute an die lebhaften Diskussionen der Handballspieler in den Jahren 1946 und 1947. Zu den sportlichen Gesichtspunkten gesellten sich noch die politische Einstellung. Denn der VfL (später KSV) war eher sozialdemokratisch geprägt, während die Viktoria mehr der CDU zugeneigt war.

Um die erfolgreiche Mannschaft des VfL nicht auseinanderzureißen, entschlossen sich vor allem einige jüngere Sportler, einen reinen Handballverein zu gründen. Der gab sich nach langer Diskussion den Namen Ballsportclub. Diese Wahl erwies sich im Nachhinein als recht weitsichtig. Denn der ursprünglich favorisierte Name „1. Handballclub“ hätte die Hinzunahme einer Tennisabteilung erschwert.

Die Nähe der Anderen zu den großen Parteien führten dazu, dass sich der BSC Neutralität in die Satzung geschrieben hat: „Der 1. Vorsitzende muss politisch ungebunden sein, um den Verein auch in der Öffentlichkeit politisch neutral vertreten zu können.“ Daher waren den Vorsitzenden des BSC in den Anfangsjahren politische Aktivitäten untersagt, was im Laufe der Zeit aber aus der Satzung gestrichen wurde. Erster Vorsitzender wurde Michael Sulzmann, zweiter Vorsitzender wurde Viktor Herdt und Kassierer Hans Schlander.

Für den vom Dalles aufgelesenen Hans Nostadt endete der Abend mit einer kleinen Enttäuschung. Da er noch keine 18 Jahre alt war, durfte er die Gründungsurkunde nicht unterschreiben. Aber er wurde noch am selben Tag Mitglied. Damit kann er wie Edmund Seib, Wilhelm Rebmann und Reginald Sturm im Sommer auf eine 75-jährige Mitgliedschaft beim BSC zurückblicken. Die Ehrung soll zum Festfinale am Sonntag, 24. Juli, geschehen.

Überraschend verlief der Abend des 22. Juli 1947 wohl für den damaligen Vorsitzenden des FC Viktoria, Adam Schwarzkopf. Der hatte die Jungs noch mit den Worten „Geit amol ihr Buwe! Macht amol!“ wohl in der Hoffnung zum „Gascht“ geschickt, dass aus der angekündigten Vereinsgründung nichts werden würde.

Und wie ging es nach diesem Abend weiter? Der Ballsportclub wusste nicht, wo er spielen kann. Damals war Hallenhandball wenig verbreitet, gespielt wurde Feldhandball auf einem Platz in den Ausmaßen eines Fußballplatzes. Sowohl VfL/KSV als auch Viktoria boten dem BSC ihre Plätze zur Austragung der Meisterschaftsspiele an. Das hatte jedoch seinen Preis. Die Viktoria verlangte zehn Mark, was damals ein ganz ansehnlicher Betrag war.

Der KSV-Platz kostete zwar keinen Pfennig, sondern manchen Ärger. Er war nämlich so abschüssig, dass die Mannschaften immer die erste oder die zweite Halbzeit „bergauf“ spielen mussten, was regelmäßig zu Protesten der Gegner führte. Hans Nostadt berichtete beim Erzählabend von einer für den heimatlosen BSC sehr peinliche Begebenheit. Beim Heimspiel gegen Niederrad ließ der Viktoria-Platzwart der Viktoria wegen angeblicher Außenstände die beiden Mannschaften nicht aufs Gelände. Es handelte sich dabei wohl um eine fehlende Information seitens des Kassierers, bei dem die Platzmiete eingezahlt worden war. Folglich musste erst einer der Spieler schnell die Quittung herbeiholen – was aber den beißenden Spott der Gäste nicht verhindern konnte.

Die Suche nach eigenen Plätzen erwies sich als recht schwierig. Trotz der Unterstützung des Bürgermeisters Adam Gensert hatte der junge Verein bis zum Herbst 1947 noch kein geeignetes Gelände gefunden. Erst das Engagement des „Gascht“-Wirts Adam Rickert brachte die Lösung. Im Zuge der Flurbereinigung konnte er einige Bauern überzeugen, dem BSC Äcker und Wiesen abzutreten, die am Waldrand Richtung Eppertshausen noch heute Heimat des BSC sind. (Michael Löw)

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