Rödermark: Grenzen des Protests ausgelotet

Wolfsrudel, Klima-Proteste und Lehrermangel waren drei von sechs Themen, die Oberstufenschüler in Rödermark-Ober-Roden gestern mit Abgeordneten des Landtags diskutierten. Die Politiker kreiselten im Zehn-Minuten-Abstand von Tisch zu Tisch und erläuterten ihre Sicht der Dinge. Und ernteten Widerspruch manchmal dort, wo sie ihn nicht unbedingt erwartet hatten.
Rödermark - Die Nell-Breuning-Schule gehört zu einer Handvoll Schulen aus der Region, die sich für die bundesweite Veranstaltungsreihe „dialog P“ (wie Politik) beworben und den Zuschlag bekommen hatten. Die waren in alphabetischer Reihenfolge Ulrike Alex (SPD), Axel Gerntke (Die Linke), René Rock (FDP), Bernd-Erich Vohl (AfD) und Katy Walther (Grüne). CDU-Mann Frank Lortz hatte sich bei NBS-Fachsprecher Dr. Hans Heckroth entschuldigt.
Auf Vohls Teilnahme hätten manche Lehrkräfte gern verzichtet, doch die Abgeordneten des Hessen-Parlaments waren nur im Paket zu haben. Und am Ende konstatierte Heckroth: Alles problemlos gelaufen, Sachlichkeit war das oberste Gebot.
Die gut 60 jungen Erwachsenen aus den Klassen 12 und 13 wollten zum Beispiel wissen, wie die Landespolitiker die Lehrerprobleme an Hessens Schulen beheben wollen. Gerntke hatte die Lacher auf seiner Seite, als er mit einer Aussage von Kulturminister Alexander Lotz (CDU) konterte: Lehrermangel gibt"s nicht. Und gleich nachschob: „Der ist ein Spaßvogel!“
Eher wenig zu lachen hatte Katy Walther am Klima-Tisch. Die Proteste der Letzten Generation sind ihrer Ansicht nach legitim, solange sie gewaltfrei bleiben. Die jungen Erwachsenen lernten: Kleben sich Klima-Retter mit Anmeldung auf eine Straße, ist das vom Recht auf Demonstrationsfreiheit gedeckt und bleiben straffrei. Unangemeldete Verkehrsblockaden ziehen Gerichtsverfahren nach sich. Genau diese Aufmerksamkeit wolle die Letzte Generation. Das provozierte den Widerspruch der Schüler: Festkleben sei ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und könne mit Freiheitsstrafen geahndet werden.
Katy Walther kritisierte, dass Staus in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen werden. Als Tausende von Bauern 2019 gegen ein Glyphosat-Verbot demonstrierten und mit ihren Traktoren Berlin lahmlegten, habe es keinen Aufschrei gegeben. Der ist jetzt bei der Letzten Generation umso lauter.
Ulrike Alex wollte die Aktivisten auf keinen Fall Öko-Terroristen nennen. Die SPD-Abgeordnete ist 66 Jahre alt und hat den Terrorismus der Rote-Armee-Fraktion Mitte der Siebziger in Deutschland miterleben müssen: die Morde an Generalbundesanwalt Buback, Bankier Ponto oder Arbeitgeberpräsident Schleyer und ihren Fahrern oder Leibwächtern.
René Rock, der Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, verteidigte die Demonstrationsfreiheit. Und dort, wo der Protest Grenzen überschreite, greife die Justiz ein, Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sei ein hohes Gut der deutschen Demokratie.
Viele Themen wurden kontrovers diskutiert. Einig waren sich Schüler und Politiker bei der Frage „Soll der Wolf wieder in ganz Hessen heimisch werden?“ Ja, er soll"s. Wenn die Population nicht zu groß wird... (Michael Löw)
