Rödermark: Heuschrecken auf dem Grill

Andrew Fordyce, in Südafrika aufgewachsen und seit zehn Jahren in Rödermark daheim, ist Koch und Foodscout. Jetzt will er den Deutschen Insekten schmackhaft machen.
Rödermark – Das Krabbenbrötchen ist für Nordsee-Urlauber der Imbiss schlechthin. Aber der Blick auf eine Schüssel voller Maden in Südostasien oder Afrika dreht selbst hartgesottenen Backpackern den Magen um. Warum eigentlich? Beide Tierchen sind ungefähr gleich groß und in rohem Zustand ähnlich glibberig. Aber eine Krabbe schwimmt halt im sauberen Meer und wühlt sich nicht durch schlammigen Boden.
„Der Ekelfaktor ist für die Deutschen das größte Problem“, sagt Andrew Fordyce, der Insekten auf die Teller der Bundesbürger und ihrer Nachbarn bringen will. Der 54-Jährige ist Koch, Foodscout und Marketingstratege in Sachen Gastronomie. Und weiß um die Vorurteile gegenüber Insekten. Die meisten Arten sind nicht unbedingt Sympathieträger. Das zeigen Ausrufe wie „Pfui Spinne!“ oder Wortkombinationen vom Kaliber „Heuschreckenplage“ oder „Made im Speck“ – soweit die Emotionen.
Die Tatsachen, die der gebürtige Südafrikaner, der seit zehn Jahren in Messenhausen wohnt, lesen sich in einschlägigen Kochbüchern – Die gibt"s tatsächlich! – so: Maden, Mehlwürmer, Heuschrecken, Grillen oder Larven enthalten aufs Kilo gerechnet mehr Proteine als die klassischen Eiweißlieferanten Rind, Schwein und Geflügel. Anders als für die Viehzucht oder den Soja-Anbau braucht"s für ihre Zucht weder quadratkilometergroße Flächen noch teure Technik und Geld. Auch Kleinstunternehmen können ins Geschäft einsteigen. Und Insekten brauchen deutlich weniger Futter als Säugetiere, um die gleiche Menge Nährstoffe zu liefern. Wertvolles Getreide muss nicht ans Vieh verfüttert werden, sondern bleibt den Menschen als Nahrung.
Würmerzucht auf altem Bauernhof
Will Andrew Fordyce Skeptikern Insekten schmackhaft machen, tischt er ihnen keine Schüsseln voller Krabbeltiere auf, sondern setzt auf Halbfertigprodukte eines Unternehmens aus der Schweiz.. Das züchtet Würmer auf einem alten Bauernhof in Wasserschalen und füttert sie mit geshreddertem Mais. Mehr Bio geht für Fordyce und seine Lebensgefährtin Petra Meisel nicht.
Insekten werden übrigens nicht geschlachtet, sondern geerntet – eine Marketingstrategie, die sich von der massenhaften Tiertötung abgrenzen will. Die Schweizer verarbeiten ihre Ernte in unterschiedlichen Anteilen zu Hamburgern, Hackbällchen, Energieriegel oder Knabbereien. Der Insektenanteil schwankt zwischen 15 und weit über 50 Prozent. Bohnen, Bulgur, Schrod oder Kichererbsen machen die Convenience-Gerichte komplett.
Getrocknete Grillen, gewürzt mit Zimt, passen in der Tat auf Streuselkuchen gestreut. Sie schmecken nach Nüssen und Popcorn. Wichtiger als höfliche Neugier ist für Andrew Fordyce der zweite Zugriff: „Der zeigt, dass es den Leuten geschmeckt hat. Auch, wenn sie anfangs skeptisch waren.“
Rödermärker doziert in Florida
Der Foodscout propagiert den Insektenverzehr aus Überzeugung, aber nicht als Missionar. Er sei „Koch aus Leidenschaft und Fleischesser“. Und er steht mit beiden Beinen im (Geschäfts)-Leben. Fordyce lehrt unter anderem an der Hochschule des Lebensmittelgiganten Lidl & Schwarz in Heilbronn, an einer Universität in Florida und demnächst an der Berufsakademie in Urberach.
Proteinreiches Essen ohne klassisches Fleisch ist für Fordyce ein Geschäftsmodell mit Perspektiven. Dass Mc Donalds statt klassischer Hamburger immer häufiger vegetarische Patties zwischen seine Brötchen legt, habe wenig mit Idealismus zu tun: „Damit ist Geld zu verdienen!“ Warum also nicht, so seine weitere Argumentation, den Burgern ein Quantum gelber Mehlwurm, europäischer Wanderheuschrecke, Hausgrille oder Buffalowurm zusetzen? Die nämlich sind in der Europäischen Union als „neuartige Lebensmittel“ zugelassen. Ihre Verwendung muss allerdings gekennzeichnet sein.
Andrew Fordyce bleibt aber Realist und weiß, dass „das Essen der Zukunft“ nicht morgen in der Imbissbude um die Ecke zu haben sein wird. Er geht davon aus, dass es Studentenwerke oder Firmen, sich als besonders nachhaltig betrachten, die Vorreiterrolle übernehmen und Insekten auf dem Speiseplan stehen haben.
Von Michael Löw

