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Rödermark: Im Schatten des Vernichtungslagers

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Von: Michael Löw

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Die Rödermärker Schüler haben das deutsch-polnische Auschwitz-Projekt in einer Collage zusammengefasst. Die Bilder zeigen die Gruppe in Krakau (oben), im KZ Auschwitz, vorm Gymnasium in Tarnow und bei einem Workshop.
Die Rödermärker Schüler haben das deutsch-polnische Auschwitz-Projekt in einer Collage zusammengefasst. Die Bilder zeigen die Gruppe in Krakau (oben), im KZ Auschwitz, vorm Gymnasium in Tarnow und bei einem Workshop. © Nell-Breuning-Schule

„Was bedeutet Auschwitz für uns?“ Das fragten junge Deutsche und junge Polen gemeinsam bei einer Studienfahrt in das Vernichtungslager. Die erste Begegnung im Zuge der Städtepartnerschaft zwischen Rödermark und Plesna war alles andere als leichte Kost.

Rödermark– Im KZ Auschwitz ermordeten die Nazis mehr als eine Million Menschen, darunter unzählige Polen. In dieser Stätte des Grauen suchten junge Deutsche und Polen nach Perspektiven für ein gemeinsames Europa. 28 Zwölftklässler und Lehrer der Nell-Breuning-Schule (NBS) nahmen an der Studienfahrt teil, die angesichts ihrer Bedeutung von der Europäischen Union mit 26 000 Euro gefördert wurde.

Geschichtsunterricht an einem der schlimmsten Orte deutscher Vergangenheit hat Tradition an der NBS. Die im vorigen Sommer begründete Partnerschaft zwischen Rödermark und polnischen Stadt Plesna gab der Studienfahrt aber eine ganz neue Dimension. „Ich war überrascht, dass wir uns auf Anhieb so richtig gut verstanden haben“, hatte Angelina Jörg aus dem Leistungskurs Geschichte Berührungsängste zwischen der Urenkel-Generation der Täter und der Opfer schnell überwunden.

Wie kam es zu dieser Begegnung? Bei der Reise zur Verschwisterung im Juli führten die Offiziellen um Bürgermeister Jörg Rotter Gespräche über eine Partnerschaft der dortigen Mittelschule mit der NBS. Diese Pläne wurden bei einer deutsch-polnischen Videokonferenz am 20. September konkretisiert. Die Teilnehmer haben vereinbart, dass mittelfristig ein Austausch der achten Klassen vorbereitet wird. Und das regelmäßige Auschwitz-Projekt wurde zum Kooperationsprojekt mit einer zwölften Klasse des „16. Lyceums“ im neuen Kilometer entfernten Tarnow.

Sogar Lehrerin hat Gänsehaut

Das ist die weiterführende Schule für Rödermarks vierte Partnerstadt. Die NBS-Pädagogen Katharina Szymic und Andreas Zies managten die Studienreise. „In manchen Momenten hatte ich Gänsehaut“, bekannte Katharina Szymic, die das Erlebte in WhatsApp-Nachrichten zusammenfasste.

„Wir begegneten uns zum ersten Mal. Unglaublich, wie gut die Schüler zusammengearbeitet haben. Sie fanden Wege, sich zu verständigen, brachten tolle Ergebnisse zustande und hatten Spaß miteinander“, lautete ihre Bilanz des ersten Tages.

Bedrückend waren die Eindrücke nach den Führungen durchs KZ Auschwitz und das Außenlager Birkenau: „Wie kann ein Mensch so was überleben? Wenn man es überhaupt als Leben bezeichnen kann…“

Es sind die grausamen Details, die im Gedächtnis blieben. Angelina Jörg war entsetzt über die Hackordnung unter den Häftlingen: Wer in den oberen Etagen der Pritschen liegen durfte, hatte die etwas besseren Überlebenschancen. Die, die weiter unten lagen, bekamen die Exkremente von oben oder wurden von Ratten zerfressen, wenn sie dahin siechten. Ahmad Vatankhak-Miyondeni versuchte, das Denken der Sonderkommandos, die die Drecksarbeit der KZ-Wächter erledigten, zu verstehen: „Sie haben ihre Seelen verkauft, um zu überleben!“

Unterschiedliche Schultypen

Zum Glück gab"s auch viele Momente des Lachens. „Wie passen die denn da alle rein?“, wunderte sich eine Rödermärkerin über die Klassenzimmer im über 100 Jahre alten „16. Lyceum“: Auf engem Raum werden 30 Schüler unterrichtet; die elf Geschichts-Leistungskursler in Ober-Roden haben deutlich mehr Platz.

Eine Führung durch das einst jüdisch geprägte Tarnow und der Besuch des Oskar-Schindler-Museums in Krakau rundeten das offizielle Programm ab.

Bürgermeister Jörg Rotter und sein für internationale Partnerschaften zuständiger Fachbereichsleiter Thomas Mörsdorf zeigten sich zufrieden: „Wir sind sehr erfreut über die Offenheit, das pro-europäische Engagement und das intensive Geschichtsbewusstsein unserer polnischen Partnergemeinde und der beteiligten Schulen.“

Ahmad Vatankhak-Miyondeni fasste die fünf Tage prägnant zusammen: „Den gemeinsamen Blick nach vorne und die entstandenen Freundschaften hatte ich so nicht erwartet.“

Von Michael Löw

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