Rödermark: Klimaschutz eine Fragen des Geldes?

Ein heute geborener Jung-Rödermärker erlebt im Lauf seines Lebens 30 Jahrhundert-Hitzewellen, sieben mal so viele wie seine Großeltern. Hochwasser und Missernten lernt er drei mal öfter kennen, als die Generationen vor ihm. Katja Kümmel (AL/Grüne) brach die Folgen des weltweiten Klimawandels am Dienstagabend im Stadtparlament Rödermark drastisch aufs Lokale herunter.
Rödermark - Auf der Tagesordnung standen Anträge zu einer Nachhaltigkeits-Klausel für alle künftigen Entscheidungen und zum Hochwasserschutz. Diskutiert wurde teils hoch emotional. Kein Wunder bei einem Thema, bei dem oft eine riesige Lücke zwischen dem Wissen um seine Tragweite und dem persönlichen Handeln klafft.
Die schwarz-grüne Koalition wollte mit ihrer Nachhaltigkeits-Klausel jede Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung unter einen Klimavorbehalt stellen. Welche Konsequenzen hat zum Beispiel ein Bauprojekt? Messwerte und die Kontrollen sollen festgelegt werden. Den größten Einfluss, so AL-Sprecherin Kümmel, hat die Stadt beim Bauen und beim Verkehr. Die Verlängerung der S-Bahnlinie 2 über Dietzenbach hinaus nach Urberach sei angestoßen. Jetzt müsse die Stadt mit Fördergeld von Bund und Land das Radwegenetz weiter ausbauen. Katja Kümmel schlug ein kommunales Förderprogramm zur Begrünung privater Innerorts-Grundstücke vor, dessen Kosten bis Ende 2022 zu 100 Prozent vom Land übernommen werden. Auch die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude sei ein wichtiger Schritt zum Klimaschutz.
Michael Spieß vom Koalitionspartner CDU machte deutlich, dass manches Wunschprojekt der Nachhaltigkeits-Klausel zum Opfer fallen könnte. Die von vielen Ober-Rödern herbeigesehnte Fußgänger- und Radfahrerunterführung des Bahnübergangs verbrauche jede Menge Beton, Stahl und Treibstoff für die Baustellenfahrzeuge. Sind die Staus vor der Schranke am Ende ökologischer?
Freie Wähler und FDP kritisierten die Klausel. Die FWR wollten per Änderungsantrag die Finanzierung „unter ökonomischen Punkten kritisch hinterfragen“. Fraktionsvorsitzender Peter Schröder vermisst eine klare Strategie: Wer entscheidet auf welcher Grundlage, was nachhaltig ist? Zudem befürchtet er eine „Gängelung“ und dass „viele Projekte durch die Hintertür verhindert werden“. Sein Fazit: „Das ist fatal für den Wirtschaftsstandort Rödermark. Ich kann nicht verstehen, wie die CDU einem solchen Antrag zustimmen kann.“
Sein FDP-Kollege Tobias Kruger sprach von einem „Bürokratiemonster“, für das die Stadt entweder neues Personal oder teures Expertenwissen von außen brauche. Er wolle sich von der „aktuellen Klimahysterie“ nicht anstecken lassen. FDP-Fraktionsvize Dr. Rüdiger Werner will nicht alles von oben regeln: „Die meisten Unternehmen in Deutschland sind weiter, als die Politik es ist.“
Rödermark habe die „größte Klimaschutzmaßnahme im Kreis“ bereits vorgenommen, sagte Bürgermeister Jörg Rotter: Riesige Neubaugebiete für Wohnen und Industrie wie in Rodgau werde es nicht geben. Er betonte aber auch: „Wir dürfen nicht überall Stopp! sagen.“ Sozialleistungen müssen finanziert werden – seiner Ansicht nach auch über mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer.
„Es gibt keine wichtigere sozialpolitische Maßnahme als den Klimaschutz“, gab Anke Rüger, die Fraktionsvorsitzende der SPD, Contra. Ohne Klimaschutz „kein halbwegs erträgliches Leben für unsere Kinder und Enkel“. Bremsklötze wie die Freien Wähler oder die FDP kann Rödermark ihrer Ansicht nach nicht brauchen. Anke Rüger forderte die Kommunalpolitiker auf, mit gutem Beispiel voranzugehen: Jeder Stadtverordnete, der nicht mit dem Fahrrad zur Sitzung kommt, sondern wegen angeblichem Zeitdruck das Auto nimmt, „entscheidet sich bewusst gegen das Klima!“
Dem schwarz-grünen Nachhaltigkeits-Antrag und einer SPD-Änderung stimmten CDU, AL und SPD zu, die F-Parteien waren dagegen. Mit ihrem Finanzierungsvorbehalt standen die FWR am Ende alleine da.
Einstimmig angenommen wurde dagegen ein SPD-Antrag mit dem sperrigen Namen Starkregen-Gefährdungsanalyse“. Schon Niederschlagsmengen von 50 Litern je Quadratmeter hätten in den vergangenen Sommern unzählige Keller voll laufen lassen, sagte Jürgen Breslein (FWR). Aber 200 Liter, „die vom Kallemannsberg die Urberacher Straßen runterrauschen“, hätten viel, viel schlimmere Folgen, mahnte SPD-Frontfrau Rüger.
Derweil ärgert eine Anordnung der Kreisnaturschutzbehörde den Ortslandwirt Werner Gaubatz. Die Stadt darf Gräben in der Feldgemarkung, die das Regenwasser aus Baugebieten schlucken, nicht mehr sauber fräsen, sondern für zehn mal mehr Geld ausbaggern. „Jetzt passiert seit drei, vier Jahren nichts mehr, weil kein Geld da ist, kritisiert Gaubatz. Die Pflanzenreste und anderer Dreck bleiben liegen und verstopfen die Gräben – mit möglicherweise üblen Konsequenzen nach Starkregen. Das widerspreche jedem Hochwasserschutzgedanken. (Michael Löw)