Nach fast 50 Marktjahren: Metzger Georg Sattler geht in den Ruhestand

Ein wahres Urgestein verlässt Rödermark. Nach fast 50 Jahren geht Metzgermeister Georg Sattler in den Ruhestand.
Rödermark – Die lange Schlange, die sich allwöchentlich samstags am Ober-Röder Marktplatz bildete, war zuletzt noch länger als sonst. Der Grund war ein schwerer Abschied. Ein wahres Urgestein verlässt Ober-Roden (Rödermark). Nach fast 50 Jahren geht Metzgermeister Georg Sattler mit seinem Verkaufsstand für Wurst, Obst und Eier in den Ruhestand. Angefangen hatte es mit Obst, dann kamen Wurst und Schinken dazu, und dann wurde es immer mehr.
Unzählige Male erzählt der sehr lebendige fast 75-jährige Reichelsheimer an seinem letzten Tag die ungewöhnliche 49 Jahre währende Geschichte seines Standes.
Ober-Roden (Rödermark): Metzgermeister Georg Sattler geht in den Ruhestand
Er stammt von einem Bauernhof mit Hühnern, Masthähnchen und Obst, was alles immer schon direkt vermarktet wurde. Auch Großvater und Vater waren Bauern. „Ein bisschen Handelsblut steckt schon in mir.“ In einer Zeitung las der Vater 1973, dass Ober-Roden Aussteller suchte: „Da können wir gut Obst verkaufen, da gibt es kein so gutes gesundes Obst wie hier im Odenwald!“
Anfangs waren es zwölf Beschicker und alles war optimal, doch der Verkauf von Obst lief nicht so gut an, weshalb bis auf vier Händler alle aufgehört haben. Auch sein Bruder wollte aufhören. „Ich selbst war seit 1964 ausgelernter Metzger und arbeitete überwiegend in der Hausschlachtung – und nur nach meinem eigenen Rezept. Und ich beschloss: Ich mach’ weiter, aber mit Wurst.“ Anfangs waren’s nur Wurst und Schinken, doch nach 14 Tagen hatte er schon ein Drittel Kundenstamm. Der Umsatz lief so gut, dass sich das rasch ausweitete. Die Leute rissen sich um meine Wurst – kein Wunder: Ich verwende keine Fertiggewürze wie heute in den Großbetrieben, sondern nur Naturgewürze.“

Seine Frau hielt den Laden in Reichelsheim zusammen, er stand in der Schlachterei und bedient gemeinsam mit seiner Tochter als einzige Ausnahme davon samstags den Marktstand. „Mehr als Ober-Roden, wo wir an der Mehrzweckhalle angefangen haben und dann zum Marktplatz umgezogen sind, haben wir nicht geschafft. Und es ist so schad. Ich wollte die 50 Jahre ja so gerne noch vollmachen, aber die Gesundheit lässt mich doch jetzt aufhören nach etwas mehr als 49 Jahren!“
Metzgermeister Sattler in Ober-Roden (Rödermark): „Ich habe nie unterbrochen, nur einmal gab’s einen Kurzurlaub“
Über viele Jahre – ohne jede Pause – sind nun am Samstagmorgen die breite Wurstpalette, Eier und Obst von Georg Sattler der Anziehungspunkt schlechthin am Ober-Röder Marktplatz. „Und ich habe nie unterbrochen, nur einmal gab’s einen Kurzurlaub.“ Seine Kunden gönnen ihm die bevorstehende Ruhe sehr, aber sind doch spürbar traurig: Nicht nur die schmackhaften Produkte, sondern auch der Metzger mit seiner Tochter und seinen zwei Mitarbeiterinnen werden ihnen fehlen.
Viele umarmten ihn an diesem letzten Tag, brachten ihm eine Flasche Sekt „Alt-Ober-Roden“ mit oder ein Buch mit Rödermärker Ansichten – „damit du uns nicht vergisst“.
Georg Sattler wusste Hintergründe zu jedem der Kunden, die er alle duzte. Der eine hatte ihm seinen Wohnwagen frisch angestrichen, die anderen – das Ehepaar Romana und Josef Uliczka aus Obertshausen – „kauft immer Paprikawurst für sie und „Westfälische“ für ihn ein, zeitweise bis zu 100 Stück. Aber ich habe gestern schnell noch welche gemacht“, beruhigt er den Kunden.
Sogar der Bürgermeister samt Gefolge verabschiedete sich an diesem letzten Morgen von ihm – und hofft nun sehr stark, bald einen Nachfolger zu finden, zumal auch der Urberacher Gemüsestand seit einiger Zeit geschlossen hat.
Was Georg Sattler nun wohl machen wird? Spontan kommt die Antwort nicht, eher überlegt: Ausschlafen, frühstücken, laufen, wandern, und ab und zu mal übers Wochenende wegfahren. „Jetzt fahren wir erst mal an die Mosel.“ Langweilig wird’s ihm sicher nicht, zumal viele seiner Kunden ihm versprechen, ihn auf seinem Hof im Odenwald zu besuchen.
Zum Abschied gab er noch ein paar seiner Lebensweisheiten mit, etwa aus seiner Hausschlachterzeit: „Sobald das Schwein am Haken hängt, wird dem Metzger eingeschenkt!“ Grundsätzlicher wird’s bei dem guten Rat: „In die Wurst kann niemand schauen, darum nur dem Metzger trauen!“ Und noch eins: „Das Herz einer Frau, der Magen einer Sau, der Inhalt einer Leberworscht, bleiben ewig unerforscht.“ „Das trifft bei mir aber nicht zu“, schmunzelt er versonnen. Ein Original eben, das den Ober-Röder Ortskern durchaus mitgeprägt hat und das nicht nur den Kunden sehr fehlen wird. (Christine Ziesecke)
Derweil sorgt ein anderes Themea in Ober-Roden für Diskussionen. Eltern von Trinkbornschülern sind besorgt.