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Rödermark: Lebensgefahr im toten Winkel

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Trotz dreier übergroßer Außenspiegel vom Fahrersitz nicht zu sehen: die Kinder im toten Winkel.
Trotz dreier übergroßer Außenspiegel vom Fahrersitz nicht zu sehen: die Kinder im toten Winkel. © Ziesecke

Lkw-Fahrer sehen manchmal weniger, als man denkt. Grundschüler in Rödermark-Urberach lernen, die toten Winkel richtig einzuschätzen.

Rödermark – Die rot-gelb-schwarzen Aufkleber mit der Warnung „Attention Angel Morts“ stechen ins Auge, sobald man direkt neben einem Lastwagen steht. Doch wie groß diese toten Winkel sind, auf die hingewiesen wird, weiß niemand so recht. Radfahrer geraten schnell in Lebensgefahr, wenn sie neben einem Laster stehen, der nach rechts abbiegen will.

Viertklässler der Schule an den Linden haben jetzt gelernt, solche Situationen zu vermeiden. Im Rahmen der Verkehrserziehung und als Vorbereitung auf die Fahrradprüfung im März stand ein ganz besonderes Projekt auf dem Stundenplan: ein Aktionsvormittag zum Thema toter Winkel.

Kinder dürfen selbst ans Steuer

Die Kinder konnten vom Steuer eines 40-Tonners erkennen, dass es bestimmte Bereiche im Blickfeld des Fahrers gibt, die er trotz mehrerer übergroßer Außen- und Innenspiegel nicht einsehen kann. Diese Erfahrung kann ihnen unter Umständen das Leben retten.

Die Idee kam von Matthias Schickedanz, sein Sohn geht in die zweite Klasse der Urberacher Grundschule. Er ist Risiko-Manager bei einem Lkw-Versicherer in Hamburg. Schickedanz hatte ähnliche Aktionstage schon mehrfach anderweitig angeboten, nun war es der Kontakt über Lehrerin Stina Müller, die auch bei Schulleiterin Andrea Schöps sofort auf offene Ohren stieß.

So rollte ein 40-Tonner der Firma Semmer auf den Urberacher Festplatz, den Schickedanz mit Zollstock und Flatterband passgenau vorbereitet hatte. Bänder und Matten machten den toten Winkel, der bei aller eingebauten Technik nicht zu verifizieren ist, an den Seiten und vorne sichtbar. Alle Viertklässler bekamen eine kurze Einführung, ehe sie einzeln in den großen Lkw einsteigen und vom Fahrersitz aus kontrollieren konnten, was sie sehen und was nicht.

Die restlichen Schüler wurden in den abgesperrten toten Winkel oder vor das Führerhaus gestellt. „Es ist für die Kinder absolut wichtig, dass sie vom toten Winkel nicht nur theoretisch an der Tafel erfahren, sondern tatsächlich sehen, dass sie nichts sehen“, erklärte Matthias Schickedanz auch den mitgekommenen Lehrerinnen.

Unsichtbar trotz vieler Spiegel

Ganz typisch für diesen unersetzbaren Erfahrungswert ist der Satz eines Viertklässlers, als er vom Fahrersitz aus auf den Platz hinausschaute und fragte: „Wo sind denn meine Mitschüler?“ Die standen derweil im mit Flatterbändern markierten Ecken – verborgen vor dem Brummifahrer.

Matthias Schickedanz: „Wichtigster Grundsatz, den ihr euch merken müsst: Versucht, an Kreuzungen immer in die Augen des Fahrers zu schauen, der euch entgegenkommt oder euren Weg quert! Nur wenn du den Fahrer siehst, sieht er dich auch! Und wenn du ihn nicht siehst: Bleib stehen oder besser noch: Geh drei Meter zurück!“ Allein die Tatsache, dass die Kinder die „freie“ Zeit nicht für Späße nutzten, sondern konzentriert zuschauten und zuhörten, zeigte die Wirksamkeit dieser Aktion, die in der Schule noch nachbereitet werden wird.

Zwei Mitarbeiter der Ordnungspolizei hatten den 40-Tonner morgens auf den Festplatz gelotst und begleiteten die Aktion. Ein Zwei-Meter-Mann ging vorm Kühlergrill auf die Knie und simulierte ein Kind. Auch die Zukunft hatte Matthias Schickedanz schon anvisiert: „Wir sollen uns doch mal überlegen, ob wir das auch für die anderen Rödermärker Schulen anbieten können.“ Der Risikomanager überlegt, dass er mit einem lokalen Unternehmen wie dem Rhein-Main-Frachtkontor zusammenarbeiten kann. „Es geht ja primär um die Kinder, denen wir damit helfen.“

Vorbereitung auf die Fahrradprüfung

Die Viertklässler werden jedenfalls bei ihrer Fahrradprüfung alle größeren Autos, vor allem aber Lkw, mit ganz anderen Augen betrachten, sehr zu ihrer eigenen Sicherheit wie auch der des Lkw-Lenkers. „Das hat die Firma Semmer, mit der ich schon länger sehr vertrauensvoll zusammenarbeite, sehr gut erkannt: Wenn die Kinder besser vorbereitet sind, ist die Fahrt auch für den Fahrer sicherer“, beschreibt Matthias Schickedanz die Vorteile auch für den vermeintlich Stärkeren.

Von Christine Ziesecke

Jeder Viertklässler konnte sich vom Steuer des 40-Tonners aus ein Bild machen, was der Fahrer sieht und was nicht.
Jeder Viertklässler konnte sich vom Steuer des 40-Tonners aus ein Bild machen, was der Fahrer sieht und was nicht. © Ziesecke
Nicht nur im toten Winkel, sondern auch unmittelbar vor der Zugmaschine des 40-Tonners sind Kinder und andere Fußgänger oder Radler bei einem gewissen Abstand nicht zu sehen.
Nicht nur im toten Winkel, sondern auch unmittelbar vor der Zugmaschine des 40-Tonners sind Kinder und andere Fußgänger oder Radler bei einem gewissen Abstand nicht zu sehen. © Ziesecke

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