Rödermark: Liegestühle am Hochaltar

Die Kirche St. Gallus in Rödermark-Urberach wurde vor 200 Jahren geweiht. Zum Jubiläum kann das Gotteshaus aus einer ungewöhnlichen Perspektive betrachtet werden.
Rödermark - Kirche einmal anders erleben – ohne vorgegebenen Gottesdienst, aber mit vielen Möglichkeiten, seine Spiritualität und seine Gedanken einzubringen. Die „Nacht der offenen Kirche“ zum 200. Weihetag von St. Gallus machte das möglich. Lesen, zuhören, mitsingen, malen, schreiben, rätseln, puzzeln, ins Gespräch kommen, sich überraschen lassen:
Das alles wurde umrahmt von Lichter- und Farbenvielfalt und eingebettet in ganz dezente Hintergrundmusik.
Wer hat schon mal – in zart lila Licht getaucht – in einem ganz profanen Liegestuhl neben dem Hochaltar gesessen und sich die Kirche aus diesem Blickwinkel betrachtet? Oder vor dem Altar in aller Ruhe ein Puzzle zusammengesetzt, alleine oder mit Anderen? Wer hatte schon einmal Zeit und Muße, in einer Kirchennische mit geschlossenen Augen Taizé-Liedern zu lauschen oder sich aus Liederbüchern den Text dazu herauszusuchen? Wer nutzt sonst schon die Chance, fremde Gedanken in Schrift, Wort oder Bild zu interpretieren oder mit Menschen in der Kirche darüber zu diskutieren? Wer kann schon künstlerisch an der Gestaltung der Osterkerze beteiligt sein? Diakon Eberhard Utz brachte eine durchaus gelungene Friedenstaube aufs Papier und redete mit den Besuchern über seine Gedanken zum Frieden. Die Gäste konnten außerdem ein eigenes Gebet an die Pinnwand im Seitenschiff hängen.
Escape-Room im Gemeindezentrum
Doch nicht nur in der Kirche waren sieben Stationen aufgebaut. Vorm Gotteshaus konnte man an der Feuerschale seinen Gedanken freien Lauf lassen oder sich im Gemeindehaus den Pfadfindern anschließen, die da einen biblischen Escape-Room aufgebaut hatten: Zwar war nicht die Flucht das Ziel, sondern das Herausfinden und Erraten, wer an diesem großen Abendmahlstisch wohl der Verräter sein würde. Wem das gelang, der konnte sich im Jugendraum der Offenen Arbeit entspannen und Musik oder Gespräche genießen.
Die Jubiläumsveranstaltung dauerte zwar nicht die ganze Nacht, wie der Name suggerierte. Doch als Einstieg waren diese drei Stunden schon sehr bemerkenswert. Vielleicht wird das Pfarrgelände beim nächsten Mal noch etwas besser besucht, damit sich die viele Arbeit auch für das Orgateam lohnt.
Die Idee kam vor rund eineinhalb Jahren auf, als es um Projekte rund um den 200. Geburtstag der Urberacher Pfarrkirche ging, erinnert sich Diana Schlapp, die maßgeblich an der Organisation der „Nacht der offenen Kirche“ beteiligt war. Rita Erlebach hatte sie gefragt, und sie hatte sehr schnell sehr viele Ideen und in ihrem Umfeld von Rejoice und darüber hinaus in vielen Gruppen bis hin zu den Pfadfindern, oder dem Taufkinderkreis auch „Mitmacher“ gefunden.
Teils waren die eigenen Kinder mit im Boot, teils fanden sich Helfer im Gespräch; zwei Vortreffen machten die Aktion rund. Außen vor blieben dabei die Hauptamtlichen. Sie waren am Samstag höchstens als Besucher mit in der Kirche und staunten sicher, dass alle Altersgruppen vertreten waren – von Familien mit kleinen Kindern bis zu den Ältesten. Vielleicht ergibt sich am Ende des Jubiläumsjahres noch einmal eine ähnliche Chance. Dann würden auch die Erfahrungen des Festjahres mit einfließen können. (chz)
