Luxusessen für die Scheichs

Katar/Rödermark – Sobald sich die Scheichs während eines Matches der Fußball WM in ihren komfortablen Logen entspannt zurücklehnen und kulinarisch verwöhnen lassen, kommen die Künste und Fertigkeiten eines jungen Mannes aus Ober-Roden ins Spiel. Hotelbetriebswirt Fabian Saalfeld und seine Küchenmannschaft kochen in zwei Stadien für etwa 5 000 Personen in verschiedenen Qualitätsklassen: VIPs wie die Scheichs, Könige, Prinzen, die oberen 10000 und umschwärmte Ex-Fußballer wie Ronaldo und Beckham genießen im Al Thumama Stadion und im Education City Stadion die erste Klasse (Private Suites). Danach kommt die Business-Class und dann der nicht ganz so vornehme, aber immer noch formidable Match Club.
Wie kommt ein 26-Jähriger aus Rödermark an einen solch hochkarätigen Job, in dem er als Küchenchef 80 Männer und Frauen anleitet? Durch Fleiß, Talent, eine fachlich excellente Ausbildung, durch gute Kontakte und durch Arbeitgeber, die einen prima Mann konsequent fördern.
Der frühere Nell-Breuning-Schüler stand schon immer gern am Herd. Wenn er in der Freizeit nicht gerade den Kochlöffel schwang, störte er als klassischer Abräumer im Mitteldfeld von Germania Ober-Roden, der Turnerschaft und zuletzt bei der Viktoria vor der Abwehr das Spiel des Gegners.
Nach dem Fachabitur in Wirtschaft und Verwaltung an der Max-Eyth-Schule in Dreieich absolvierte er eine Lehre im Landhaushotel Waitz in Lämmerspiel und setzte an der renommierten Hotelfachschule Heidelberg den Hotelbetriebswirt oben drauf. Dort lernte Fabian Saalfeld Star-Koch Stefan Pappert aus Fulda kennen, der den britischen Königshof kulinarisch beglückt und Edelfans im Wembley-Stadion bekocht. Der ebnete ihm den Weg in die weite Welt – und so kam’s, dass der Ober-Röder über weitere berufliche Stationen in der Schweiz und in Miami Arbeitgeber fand, die ihm nun die Chance eröffnen, sich bei der WM in Katar zu beweisen.
Die Arbeit dort ist „täglich ein Abenteuer“, erzählt der junge Küchenchef, der für seinen Beruf brennt. „Man weiß nicht, wer vom Personal kommt und man weiß nicht, wann die Ware kommt und ob alles dabei ist.“
Daraus spricht eine Erfahrung, die der gebürtige Rödermärker vom ersten Tag an gemacht hat. In Katar ist vieles Fassade. Aber hinter dem Glitzer verbergen sich zuweilen Missmanagement, Mangel und Unzulänglichkeit. Und Härte: „Es ist schon krass, wie meine Leute privat leben müssen. Sie arbeiten für Subunternehmer, wohnen wie in einer Kaserne, Bett an Bett, nur mit einem Trennnetz dazwischen. Tagsüber versuchen sie dann, in schwarzen Hosen und schicken weißen Hemden ein bisschen glücklich zu sein.“ Streit um ausstehende Bezahlung sei ein Dauerthema. „Es gab deshalb schon Streiks.“
Zu den Unwägbarkeiten gehören auch Logistikprobleme. „Vier Hotels beliefern uns mit Ware. Die kommt in Lkw. Während der Transporte sind die Fahrzeuge verplombt, keiner darf rein, keiner raus. Man darf nicht mal aufs Klo gehen.“
Für die Anlieferung in den Stadien bleibt dann immer nur ein streng bewachtes Zeitfenster von 15 Minuten. „Manche Fahrer fahren ins falsche Stadion, andere bleiben im katastrophalen Verkehr stecken. Jeden Tag erleben wir Überraschungen. In den Küchen gehen die Geräte manchmal nicht. Viele Straßen sind noch nicht fertig. Eigentlich war Katar für die WM noch nicht bereit“, urteilt Saalfeld.
Als grotesk empfand er etwa Szenen vor den Spielen, als Fan-Statisten im Stadion unter Anleitung eine La-Ola-Welle einstudierten. „Diese Leute sind keine echten Fans. Die haben überhaupt keine Bindung zu dem Sport.“ Auch einige VIP’s hätten mit Fußball eher wenig am Hut. „Die kommen zu spät und gehen früher. Das ist für die wie ein Kinobesuch. Die sind hier eigentlich Fremdkörper.“
Und trotzdem geht der erfolgreiche Hotel- und Küchenexperte voll in seinem aktuellen Job auf. Er zieht daraus für sich große Bestätigung und die Erkenntnis, „wie glücklich freie Menschen doch leben und wie wertvoll unsere Freiheit ist“. Zufrieden mache ihn, „anderen Leuten etwas beizubringen“.
In den Stadionküchen ist das besonders schwer. Saalfelds Kolleginnen und Kollegen kommen aus zehn verschiedenen Ländern und Kulturen. Die Sprachprobleme sind enorm. Nicht jeder ist eine Fachkraft. „Wir kommunizieren auch mit Händen und Füßen.“ Dennoch gelingen pro Spieltag zehn Vorspeisen, vier köstliche Hauptgänge, zig Snacks und zehn Desserts, aus denen gewählt werden kann.
Überdies haben Scheichs und Prinzen Sonderwünsche. Ein hoher Staatsgast bevorzugt zum Beispiel regelmäßig eine spezielle Nussmischung und ganz besondere Chips. Und der Tee muss exakt 78 Grad heiß sein. „Er bringt aber sein eigenes Personal mit, das ihm den Tee kocht.“ Weniger dekadent gibt sich Fußballer Mesut Özil. „Der liebt halt Sushi.“ Ronaldos Ehefrau wiederum kann knusprigen Lammkoteletts kaum widerstehen.
Was hat Fabian Saalfeld nach seinem Zwischenspiel in Katar vor? Im Februar absolviert er in Heidelberg die Ausbildung zum Küchenmeister. Danach wird er in New York die Eröffnung eines neuen Restaurants leiten.
So ein Leben auf der Überholspur und aus dem Koffer ist nur ohne familiäre Pflichten möglich. Aber die können ja noch kommen. Und vielleicht erfüllt sich dann auch Fabian Saalfelds Traum für die berufliche Zukunft: „Ich möchte mich als Fernsehkoch mit einer eigenen Show selbstständig machen.“ bp