Rödermark: Nur Platz am Katzentisch?
Unser Forum über die geringe Beteiligung bei der Wahl des Seniorenbeirates und die Frage nach den Gründen für das Desinteresse beschäftigt unsere Leser. Längst aber diskutieren sie nicht nur über den Beirat, sondern auch über das Älterwerden in Rödermark allgemein – was wiederum Rückschlüsse auf die Arbeit eines solchen Gremiums erlaubt.
Rödermark - Zu Wort gemeldet hat sich Heinz Weber. Er war einer der treibenden Kräfte bei der Gründung des Seniorenbeirates und lange dessen Vorsitzender. „Ich bin enttäuscht, welche Entwicklung der Seniorenbeirat genommen hat. Ich wohne zwar heute in Frankfurt, nehme aber immer noch regen Anteil am gesellschaftlichen Leben in Rödermark. Deshalb war ich entsetzt, als ich die Ergebnisse der Wahl und die geringe Wahlbeteiligung erfahren habe. Der Seniorenbeirat ist ein wichtiges Sprachrohr für die Belange der älteren Generation. Es ist wirklich schade, dass hier von der Stadt nicht mehr für die Mitwirkung dieser Gruppe getan wird.
Christa Rehermann ist für die evangelische Kirche Mitglied im Beirat und Helferin bei den Seniorennachmittagen der Gustav-Adolf-Gemeinde in Ober-Roden. Sie rückt die Mini-Beteiligung von 0,3 Prozent in einen Zusammenhang mit Corona und der allgemeinen Lebenssituation älterer Rödermärker: Man müsse bedenken, dass alte Leute seit zwei Jahren oft daheim bleiben, um ihre doch meistens nicht mehr robuste Gesundheit zu schützen. Das hinterlasse Spuren. „Die meisten Menschen in etwa meinem Alter (77 Jahre) haben sich in ihre Häuslichkeit und ihre Familie (soweit erreichbar) zurückgezogen. Mittlerweile ist es so, dass der Einkauf von Lebensmitteln einmal in der Woche bei Vielen das wöchentliche Highlight ist“, schreibt sie. Auch die Seniorennachmittage würden nur sehr zögerlich angenommen. Unter diesen Bedingungen überhaupt eine Seniorenbeitragswahl abzuhalten, findet Christa Rehermann „ziemlich unglücklich, da die betroffenen Menschen zur Zeit ganz andere Interessen haben“. Kurz vor dem Wahltermin im November machte sie beim Seniorennachmittag Werbung für die Wahl – das Echo bei den wenigen Anwesenden war gering. Auch sie bemängelt, dass zu wenig Reklame für die Wahl gemacht wurde. Die 77-Jährige hatte deshalb einen Handzettel zusammenkopiert und zur Info in den Kirchen ausgelegt.
„Der Seniorenbeirat ist ganz offensichtlich eine in Politik und Verwaltung ungeliebte Einrichtung“, kritisiert Klaus Neumann. Der Urberacher war mit Heinz Weber 2006/2007 Mitinitiator und hat dieses fehlende Interesse damals in den monatelangen Verhandlungen mit dem Magistrat zu spüren bekommen. Das hat sich seiner Ansicht nach heute nicht geändert.
Dass von mehr als 8 000 Rödermärkern über 60 Jahren nur 27, also jeder 300., gewählt hat, müsse auch den Seniorenbeirat nachdenklich machen. Er hätte sehr viel intensiver dagegen vorgehen und Briefwahl oder Wahlbenachrichtigung angehen müssen. Und man hätte viel mehr Öffentlichkeitsarbeit machen müssen. Denn fast niemand wisse, was der Seniorenbeirat wann tut.
„Stellen wir uns einmal vor, im kommenden Februar wären Neuwahlen zur Stadtverordnetenversammlung und es gäbe nur eine unbedeutende Einladung in der Zeitung. Keine Wahlbenachrichtigung im Briefkasten, keine Hochglanzbroschüren, keine Wahlplakate, keine Briefwahl, keine Kandidatenliste, nichts. Und dann noch die dringende Empfehlung, die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen wegen Corona zu vermeiden“, zieht Neumann eine interessante Parallele.
Die voraussichtliche Wahlbeteiligung fürs Kommunalparlament läge dann bei fünf statt 50 Prozent. „Grund für Sie zu schreiben: Es wäre kein Verlust, wenn die so gewählte Stavo auch die letzte ist?“, schreibt Klaus Neumann mit Blick auf unseren Kommentar, der den Beirat in Frage gestellt hatte. Aber er meckert nicht nur, sondern macht auch Vorschläge: „Ungeliebte Familienmitglieder sitzen am Katzentisch. Also muss die Initiative vom Seniorenbeirat ausgehen, die Politik wird nicht von selbst tätig werden.“
Günther Sommerlad aus Ober-Roden hat Angst, dass ältere Rödermärker den Überblick verlieren: „Durch einen Bekannten bin ich vor Kurzem Mitglied der Seniorenhilfe geworden. Per Zufall entdeckte ich dann, dass es auch einen Seniorenbeirat und eine Senioren-Union in unserer schönen Stadt gibt.“ Neugierig habe er seine Nase in die Satzungen der einzelnen Gruppierungen gesteckt. Heraus kam ein verwirrendes Ergebnis: Die Senioren-Union ist ein Organ der CDU, der Seniorenbeirat vertritt die Interessen aller über 60-Jährigen in den kommunalpolitischen Gremien, und die Seniorenhilfe kümmert sich vorwiegend um die sozialen Belange der Mitglieder.
Beim genaueren Hinsehen stellte Günther Sommerlad aber auch mehrere Überlappungen fest: „Ich rege daher an, einmal zu analysieren, wie man Kräfte bündeln, Administration sparen und dadurch zusätzlichen Nutzen für alle Senioren erzielen kann.“ (Michael Löw)