Prachtstücke auf zwei Rädern

Seine Sammelleidenschaft für NSU-Zweiräder und ein Missverständnis um ein Straßenschild haben Klaus Schaaf überraschenden Besuch von der Polizei beschert. Zum Glück klärte sich alles ganz schnell auf.
Ober-Roden – Wenn die Polizei mit vier bewaffneten Beamten vor der Haustür eines unbescholtenen Bürgers steht und sich nach einiger Zeit aus dessen Räumen entschuldigend zurückzieht, ist das schon etwas Besonderes und hinterlässt Herzklopfen. So geschehen im Jahr 2020 in der Trinkbrunnenstraße bei Klaus und Rita Schaaf. Ein zum 50. Geburtstag des Hausherrn gestaltetes Straßenschild mit der Aufschrift „NSU-Straße“, im Hofeingang aufgehängt, hatte skeptische Bürger bei der Polizei anrufen und einen scherwiegenden Verdacht äußern lassen: Man möge dieser Geschichte mit vermeintlichen Schläfern der rechtsextremen Terrorzelle NSU doch einmal nachgehen.
Klaus Schaaf konnte die Ordnungshüter rasch eines Besseren belehren: Wenige Schritte durch das alte Hofgelände von 1903 bis in seine Werkstatt und Lagerhalle reichten, um alles aufzjuklären. Dort stehen rund zehn großteils historische, aber absolut fahrtüchtige, gepflegte Gefährte der Marke NSU – seine Schätze. „Ich hab’s euch doch gleich gesagt“, teilte der älteste der Beamten seinen jüngeren Kollegen mit, ehe er sich entschuldigte und wohl selbst erleichtert den vermeintlichen „Tatort“ verließ. „Das Schild, das identisch in Neckarsulm am früheren Werk hängt, hat mir meine Frau zum 50. Geburtstag geschenkt. Jetzt habe ich es von der Straße weggehängt, damit es nicht noch öfter zu Verwirrungen führt“, sagt der leidenschaftliche Sammler schmunzelnd.
Seit 1985 ist der langjährige Kraftwerksmeister und jetzige Rentner ein riesiger Fan der „Quickly“, einer der ersten Serien der in den frühen 50er Jahren neuen Kategorie Moped. Für 400 Mark hat er damals seine erste im Taunus gekauft. Die Quickly hat eine Menge zum Nachkriegs-Wirtschaftswunder beigetragen, denn sie war relativ preiswert und machte die Menschen mobil.
Sein eigenes erstes Model: eine graue Quickly S Baujahr ‘56 mit 1,7 PS. Seine Frau bekam rasch eine knallrote Quickly L mit 1,4 PS geschenkt, „Baujahr ‘58 – wie meine Frau auch!“
Dabei blieb es aber nicht. Heute stehen eng gedrängt, aber top gepflegt und auch stets zugelassen und einsatzbereit eine grüne „N 26“, eine graue „N 23“ (was die Radgrößen bezeichnet), eine grau-blaue Quickly F (Federbein-Stoßdämpfer) und eine S 223 (das gleiche ohne Federbein). Alle haben bis zu 49 Kubikzentimeter Hubraum und werden ständig in Schuss gehalten. Jährlich werden zwei von ihnen im Wechsel gefahren – im Schnitt jeweils 500 bis 600 Kilometer.
„2006 sind wir mit der S 223 zwei Tage zum Bodensee zu einem Treffen gefahren und zwei Tage wieder zurück, rund 1000 Kilometer mit maximal zwei Litern Sprit auf 100 Kilometern.“ Wunderbar, nur in Eile darf man dabei wohl nicht sein.
Das Schmuckstück des 75-Jährigen: ein Motorrad, schwarzer Hochglanzlack, eine Quick 52 Baujahr ‘56. Dazu an der Wand: zwei NSU-Fahrräder von 1958, die Klaus Schaaf bei einem älteren Ehepaar vor dem Sperrmüll gerettet und mit Engelsgeduld und viel Liebe zu echten Hinguckern gemacht hat. Ein Raum weiter vorne im großzügigen Werkstatt- und Garagenbereich des alten Hofes: eine „Agriette 1000“, eine Agria mit NSU-Motor von 1959, alles original von der Rückleuchte bis zum gelöcherten Sitz. Ein Prachtstück von einer Motorhacke, die auch zu einer Gartenfräse umgerüstet werden kann – natürlich alles beim Sammler greifbar.
Das Hobby verschlingt viel Zeit und auch einiges an Geld. Damit alle Gefährte ständig einsatzbereit sind, braucht’s pro Jahr schon 200 bis 300 Euro für neue Reifen, Bremsbeläge und mehr. „Die gehen selbst beim Stehen kaputt!“ Wie gut, dass seine Frau Rita seine Leidenschaft weitgehend teilt.
„Wir waren und sind viel unterwegs“, freut sich der Opa mehrerer Enkel. Zum Beispiel beim NSU-Werk oder am Bodensee, wo es ein Traktormuseum gibt. Nicht nur daher weiß er, dass anfangs meist Ärzte und Hebammen auf Quicklys unterwegs waren, um möglichst schnell zu sein. Später waren diese Mopeds vor allem auch bei den zugewanderten Gastarbeitern sehr beliebt. Wer mehr dazu wissen möchte: Klaus Schaaf und seine Frau, z 06074 97398, freuen sich über neugierigen Besuch. (chz)
