Hochzeit trotz Corona? Harte Zeiten für „Leih“-Pastoren von „rent-a-pastor“ aus Rödermark

Samuel Diekmann, Gründer von „rent-a-pastor“, findet normalerweise die richtigen Worte für Brautpaare. Doch wegen der Corona-Pandemie ist seine Erfahrung als Sozialratgeber gefragt – von seinen Kollegen.
Rödermark – In den Zeiten von Corona reduzieren unzählige Brautpaare ihre Hochzeit auf den Verwaltungsakt im Standesamt. Drinnen dürfen nur die engsten Angehörigen dabeisein, das Anstoßen draußen mit Freunden, Vereins- oder Feuerwehrkameraden und Kollegen aus der Firma ist verboten, vor manchen Rathäusern patrouilliert an Trautagen gar die Polizei. Und das rauschende Fest mit 100 oder mehr Gästen? Pustekuchen.
Der vermeintlich schönste Tag im Leben wird 2020 für Brautpaare zum Albtraum. Das sagt Samuel Diekmann aus Ober-Roden, der 2013 die Agentur „rent-a-pastor“ gegründet hat. Darin haben sich rund 60 Geistliche mit unternehmerischem Händchen zusammengeschlossen und bieten ihre Dienste als freie Hochzeitsredner an. Aber auch für Taufen und Beerdigungen kann man sie buchen.
In diesem Sommer bricht ihnen das Geschäft weg. 10 bis 20 Trauungen pro Jahr sind für die Redner von „rent-a-pastor“ der Schnitt. Das bedeutet für jeden Einzelnen von ihnen 10 000 bis 20 000 Euro Verlust, berichtet Diekmann von einer weiteren Branche in Coronanot. Besonders hart trifft"s jene rund 20 Ex-Pastoren, die hauptberuflich Hochzeitsredner sind. Ihnen gehen praktisch alle Einnahmen verloren. Der große Rest ist noch in Kirchendiensten, arbeitet aber oft nur in Teilzeit – da ist das Traurednerhonorar mehr als nur ein Zubrot.
„Als Soforthilfe haben wir daher unseren freien Mitarbeitern signalisiert, dass wir zumindest in diesem Jahr auf sonst übliche Vermittlungsprovisionen verzichten werden“, zeigt Agenturgründer Diekmann Solidarität.
Da er seit einiger Zeit nicht mehr als Pastor arbeitet, sondern eine Vollzeitberatungsstelle im Öffentlichen Dienst hat, profitieren die „rent-a-pastor“-Redner von seinen Erfahrungen. Diekmann gibt Tipps, wie sie an die Fördermittel kommen, die Bund und Länder an andere Solo-Selbstständige zahlen. Einige Bundesländer haben sofort geholfen, Hessen tut sich da schwerer: Es verknüpft Hilfe mit Betriebsausgaben. Aber ohne Aufträge entstehen freien Hochzeitsredner so gut wie keine Kosten.
Über die Binsenweisheit „Gestorben wird immer.“ kann Samuel Diekmann höchstens noch ganz müde lächeln. Trauerredner ist in diesen Tagen ebenfalls kein Geschäft. Beerdigungen kann man nicht verschieben. Aber fast überall in Deutschland ist die Zahl der Angehörigen am Grab begrenzt. Große Gedenkfeiern werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, liest man oft in Anzeigen. Doch dieses „diffuse Irgendwann“ ist in Diekmanns Augen ein Problem – nicht nur in geschäftlicher Hinsicht. Er denkt da an die vielen Corona-Patienten, die auf Intensivstationen gestorben sind, ohne dass ihre Lieben Abschied nehmen konnten. Fundierte Trauerarbeit – egal, wie spät – wäre in diesem Fall nötiger denn je.
Doch zurück zum Kerngeschäft von „rent-a-pastor“: Was rät Samuel Diekmann Menschen, die diesen Sommer heiraten wollen? „Zunächst einmal: Keine Panik! Selbst eine Verschiebung wäre zwar sehr ärgerlich, aber jeder hätte in der aktuellen Lage dafür sicherlich Verständnis. Aber auch das ist nicht zwingend notwendig.“
Außer den Corona-Auflagen der Behörden, den Dienstleistern von Redner über DJ und Fotograf bis hin zum Wirt sollte auch das Bauchgefühl eine Rolle spielen: Kann ein Brautpaar die Hochzeit genießen, wenn etliche Gäste wie Oma, Opa und andere ältere Verwandte zur Risikogruppe zählen?
Heiraten war schon einfacher als im Jahr des SARS-CoV-2-Virus.