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Diskussion über Listenhunde: Opfer einer Beißattacke fühlt sich im Stich gelassen

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Von: Michael Löw

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Hinter Gittern: Menschen, die von einem Hund angefallen wurden, sähen große Rassen wie den Kangal am liebsten eingesperrt oder verboten.
Hinter Gittern: Menschen, die von einem Hund angefallen wurden, sähen große Rassen wie den Kangal am liebsten eingesperrt oder verboten. © Andrea Warnecke, dpa

Nicht jeder große Hund, der einen Listenhund im Stammbaum hat, ist automatisch auch ein Listenhund. Das ärgert das Opfer einer Hundeattacke in Rödermark.

Rödermark – Den Himmelfahrtstag 2016 wird Wilhelm Brings sein Leben lang nicht vergessen. Beim Spaziergang unterhalb der Bulau fallen ihn zwei Hunde an – Kaukasische Owtscharkas, die bis zu 80 Kilo wiegen können. „Der Rüde wollte mir die Kehle durchbeißen. Das konnte ich mit meinem rechten Arm verhindern“, schildert der 83-Jährige aus Messenhausen die Attacke. Der Rüde verbiss sich im rechten Arm, die Hündin fügte dem Rentner weitere schwere Wunden zu.

Die Besatzung eines Rettungswagens versorgte den Verletzten, ein Hubschrauber flog ihn in die Uniklinik nach Frankfurt. „Sechs Operationen waren erforderlich. Die großen, hässlichen Narben sind auch heute noch sehr schmerzhaft“, sagt Wilhelm Brings und untermauert dies mit wenig appetitlichen Fotos. Anfang 2018 musste der Arm nochmals operiert werden. Dass er den Angriff überlebte, verdankt Wilhelm Brings seiner guten körperlichen Verfassung und dem Glück.

Diskussion über Listenhunde: Opfer fühlt sich nach Beißattacke von Behörden alleingelassen

Wieder daheim, schaltet Brings Ordnungsamt und Polizei ein, verklagt die Hundebesitzerin und schreibt sogar dem damaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth. Die Halterin wird zu 2 700 Euro Strafe und 24. 000 Euro Schmerzensgeld beziehungsweise Schadenersatz verurteilt. Das ist aber sein einziger Erfolg, ansonsten fühlt sich Brings von den Behörden im Stich gelassen.

Seinen Antrag, die beiden Owtscharkas töten zu lassen, lehnt das Verwaltungsgericht Darmstadt ab. Die Hundebesitzerin darf die Tiere behalten, muss aber ihr Grundstück sichern, damit sie nicht mehr weglaufen können. Das hat sie laut Wilhelm Brings aber nie getan.

Diskussion über Hütehunde: „Es ist keine Frage, ob wieder etwas passiert, sondern wann“

Erst nach drei Jahren haben die Behörden die Owtscharkas eingezogen. Doch die Frau schaffte sich erneut einen Hütehund an, einen Kangal. Der gilt in Hessen und Hamburg als Listenhund, dessen Haltung an etliche Bedingungen wie eine Wesensprüfung des Tieres und ein Hundeführerschein des Besitzers geknüpft ist.

Der Kangal läuft regelmäßig ohne Leine durch Messenhausen, schreibt Wilhelm Brings am 25. Juli dieses Jahres an Bürgermeister Jörg Rotter: „Es ist keine Frage, ob wieder etwas passiert, sondern wann!“ Laut Ordnungsamt ist es jedoch nicht verboten, dass der Hund „gelegentlich ohne Leine unterwegs ist“. Voraussetzung: Er bleibt im sogenannten Einwirkungsbereich seiner Besitzerin. Wie weit der reicht, ist strittig. Unstrittig ist für Wilhelm Brings: „Die Leute hier haben Angst.“

Ist der nicht lieb? Hütehunde – hier ein Kaukasischer Owtscharka – werden mit konsequenter Erziehung zu Familienmitgliedern.
Ist der nicht lieb? Hütehunde – hier ein Kaukasischer Owtscharka – werden mit konsequenter Erziehung zu Familienmitgliedern. © Anataly Zhdanov. dpa

„Fast täglich Hundevorfälle“ in Rödermark

Nach den Erkenntnissen des Ordnungsamtes handelt es sich nicht um einen Kangal, sondern um einen Alabai. Beide gehören zur Familie der in Zentralasien beheimateten Owtscharkas und schützen Viehherden vor Bären und Wölfen. „Rassespezifische Ableger wie der Alabai sind in Hessen nicht auf der Liste aufgeführt und somit wie jeder andere Hund zu behandeln“, erklärt Fachabteilungsleiter Christian Runkel auf Anfrage unserer Zeitung.

In Rödermark sind 35 gefährliche Hunde (Steuer: 900 Euro pro Jahr) gemeldet, die laut Ordnungsamt „eher unauffällig“ sind. Allerdings werden der Behörde „fast täglich Hundevorfälle“ gemeldet. Rasse, Größe und Einstufung spielen da keine Rolle. (Michael Löw)

Ein Rehkitz verendete nach dem Biss eines frei laufenden Hundes in Rödermark. Ein Tierschützer richtete einen Appell an Hundebesitzer.

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