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Rödermark: Obdachloser an der Taubhaus-Kreuzung bringt Stadt in Dilemma

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Von: Michael Löw

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Das Lager eines Obdachlosen an der Taubhaus-Kreuzung löst unterschiedliche Reaktionen aus. Und bringt die Stadt in ein Dilemma: Sie würde den Mann gern in einem Notquartier unterbringen. Doch bislang will er das nicht.
Rödermark: Schlafplatz eines Obdachlosen an der Taubhaus-Kreuzung © Michael Löw

Ein Obdachloser schlägt in Rödermark Anfang April sein Lager an der Taubhaus-Kreuzung auf. Die Stadt möchte den Mann unterbringen, dieser lehnt jedoch bisher ab.

Rödermark - Der Bürgersteig neben der Konrad-Adenauer-Straße ist seit mehr als zwei Monaten sein Zuhause: Der Mann unter der grünen Plane bringt die Stadt Rödermark in eine Zwickmühle. Sie will ihn in eine Notunterkunft bringen. Doch das geht nicht gegen seinen Willen.

Mittlerweile ist der Schlafplatz zu einem überdachten Camp von sechs oder sieben Metern angewachsen. Die Reaktionen von Passanten und Nachbarn könnten gegensätzlicher kaum sein. Die Spanne reicht von Vorwürfen wie „Warum tut die Stadt nichts für den armen Mann?“ bis zu Diffamierungen vom Kaliber „Schandfleck mitten im Ort“.

Obdachloser bei Rödermarks Taubhaus-Kreuzung: Zwischen Beschwerden, Lob und Hilfsbereitschaft

Der grauhaarige Bürgersteigbewohner macht’s den Leuten in der Tat nicht einfach. Er kippt Hochprozentiges, krakeelt, schmeißt seinen Abfall überall hin und missbraucht nicht nur das Gebüsch neben dem Taubhaus-Kindergarten als Toilette. Solche Mitteilungen kommen sowohl bei unserer Zeitung als auch bei der Stadt an.

Das gilt aber auch für Anrufe und E-Mails, die die andere Seite des Mannes zeigen. Man könne sich ganz vernünftig mit ihm unterhalten, und er sei dankbar für Essen, das ihm die Leute bringen. Kaum war sein Stuhl verschwunden, standen Stunden später gleich zwei neue da. Und nachdem die Stadt die Parkbank abbauen ließ, auf der er schlief, haben Urberacher eine regendichte Plastikplane und Sonnenschirme gebracht.

Sozialer Dienst Rödermark

Der Soziale Dienst in Rödermark hilft Menschen bei drohendem Wohnungsverlust oder bereits bestehender Obdachlosigkeit. Hierfür werden Gründe und Wege evaluiert und geeignet Maßnahmen getroffen, wie finanzielle Unterstützung oder Hilfe bei der Unterbringung in einer Notunterkunft.

Stadt Rödermark steckt bei Obdachlosem bei der Taubhaus-Kreuzung in Dilemma

„Wir stecken in einem Dilemma“, sagt Bürgermeister Jörg Rotter. Die Stadt würde dem Obdachlosen gern helfen. Doch der nehme bisher nicht an, was der Soziale Dienst ihm anbietet.

Das Camp an der Hauptstraße ist nicht sein erstes Lager. Er „wohnte“ schon in der Grünanlage neben dem Telenorma-Gelände oder an der Bushaltestelle am Gänseeck. Beschwerden gab’s überall. Zwischenzeitlich nahm ihn ein mitleidiger Urberacher auf, aber auch das ist schon wieder vorbei.

„Wir haben den Mann innerhalb von drei Jahren in mehreren der Verwaltung zur Verfügung stehenden Notunterkünften einquartiert“, schildert Sozialdezernentin Andrea Schülner, was ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon alles versucht haben. Aber bei jedem Auszug hinterließ der Mann einen umfangreichen Daseinsnachweis. Was heißt das genau? Das darf und will die Erste Stadträtin nicht näher erläutern.

Unterbringung von Rödermarks Obdachlosem schwierig

Erste Erfahrungen in Betreuungsverfahren haben der Ersten Stadträtin die rechtlichen Grenzen, das geltende Recht, eingeprägt. Und sie wirken noch immer nach. Vieldeutig ist der Satz daher eines Frankfurter Vormundschaftsrichters, den sie im Pressegespräch zitiert, in Erinnerung geblieben: „Jeder Mensch hat das Recht auf seine ureigene Verwahrlosung!“ Das klingt zynisch, ist aber wahr. Keine Behörde kann einen Menschen in Verhältnisse hineinzwingen, die in unseren Augen normal sind.

Nach diversen Rödermärker Unterkünften brachte Andrea Schülner ein Männerwohnheim am Frankfurter Ostpark ins Spiel. Dort sind Obdachlose offiziell gemeldet – zum Beispiel, um Sozialleistungen oder Betreuung zu erhalten –, können morgens aber wieder mit ihrem Bündel „auf Platte gehen“ und zum Schlafen wiederkommen. Die Antwort: „Ich will unbedingt hier in Rödermark bleiben.“

Rödermark bietet Obdachlosem Wohnen in Wohnwagen an

Stadträtin und Bürgermeister haben dem Mann vorgeschlagen, über das Leben in einem Wohnwagen nachzudenken. So hätte er einerseits die Ungebundenheit, die diese Menschen offenbar wollen, und andererseits hätte er eine richtige Adresse – Vorteile siehe oben. Bisher hat er die Stadt zumindest noch nicht abblitzen lassen.

Der Taubhaus-Camper zeigt nach Ansicht von Bürgermeister und Stadträtin, wie wichtig es ist, dass Rödermark sich einen kommunalen Sozialdienst leistet. Das ist normalerweise Sache des Kreises. Aber aufsuchende Sozialarbeit ist ihrer Meinung nach nur vor Ort sinnvoll und zielführend. Ein Mitarbeiter beackert ausschließlich das Themenfeld Obdachlosigkeit. Er fängt da an, wo auch Obdachlosigkeit anfangen kann: Wenn Leuten bei Mietrückständen der Verlust der Wohnung droht.

Egal, wie die Sache an der Taubhaus-Kreuzung ausgeht: Bürgermeister Rotter ist sicher, dass sich die Rödermärker künftig öfter mit Obdachlosigkeit auseinandersetzen müssen. Was in Frankfurt schon lange zum Stadtbild gehört, setzt sich nach Ober-Roden oder Urberach fort. Denn in der Großstadt hat schon längst ein (Überlebens)-Kampf um die sichersten Schlafgelegenheiten oder die lukrativsten Plätze zum Betteln begonnen. (Michael Löw)

Auch im benachbarten Babenhausen (Kreis Darmstadt-Dieburg) gibt es Obdachlosigkeit. Die Stadt versucht zusammen mit Experten Wege zu finden, die Ursachen zu bekämpfen und die Menschen unterzubringen.

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