Rödermark: Roter Hahn hat 100 Mal gekräht

100 Konzerte in 15 Jahren sind die Bilanz des „Red Rooster Rödermark“. Das ist der Künstlername des Musikers, Veranstalters und Netzwerkers Harry Beierer, der privat in der Mozartstraße und künstlerisch im Nedelmann-Theater, in der Kelterscheune oder im „Dinjerhof“ daheim.
Der bekennende Urberacher ist 66, Steuerberater von Beruf und ein intimer Kenner des Blues. Im Interview erzählt er unter anderem, wie er diesen Musikstil in Rödermark bekanntmachte. Ein paar Sorgenfalten treibt ihm die lokale Kulturszene auf die Stirn.
Bei einem „Red Rooster“ denke ich an ein knuspriges Brathähnchen mit viel rotem Paprika drauf. Alte Menschen rufen vielleicht die 112 an, wenn sie was vom roten Hahn hören. Aber der „Red Rooster Rödermark“ hat ja nichts mit Imbissbuden oder der Feuerwehr zu tun…
Kein bisschen. Ein Freund, der Bluesmusiker Biber Herrmann hatte einen lebendigen Hahn beim Song „Little Red Rooster“ von Willie Dixon so gekonnt mit der Bluesharp nachgeahmt, das der Name Programm wurde.
Wie kamen Sie vor 15 Jahren auf die Idee, dem Blues in Rödermark eine Bühne zu verschaffen?
Vom Blues infiziert wurde ich durch das Unplugged-Album von Eric Clapton und hörte danach viele alte Platte von Bluesmusikern aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts und war von der Musik total begeistert. Im Nedelmann-Theater spielte mal Paul Millns, und danach reifte die Idee, auch Konzerte zu veranstalten. Das war der Anfang.
Der „Red Rooster Rödermark“ ist ein besonders Konstrukt, das es in der Umgebung selten gibt. Warum haben Sie keinen Verein gegründet? Kulturvereine – siehe Jazzclub oder Alternatives Zentrum – haben hier eine mehr als 40-jährige Tradition.
Die gemeinnützige UG (Unternehmergesellschaft, Anmerkung der Redaktion) hat den Vorteil, dass ich gemeinnützig bin, aber das alleine betreiben kann. Der gemeinnützige Teil einer Vereinssatzung ist in die UG-Satzung integriert. Daher ist diese auch steuerbefreit und kann Spendenbescheinigungen ausstellen.
Diese Rechtsform hat wohl mit Ihrem Beruf als Steuerberater zu tun. Kann sie ein Vorbild für andere Kulturinitiativen sein?
Das kann Vorbild sein, da man für einen Verein sieben Personen zur Gründung benötigt, und manchem sind die Diskussionen auch zu mühsam. In meinem Segment ist das durchaus ein Modell, aber nicht für Sportvereine oder so.
Das Nedelmann-Theater, lange Ihre Spielstätte, macht zu. Kunst in Rödermark löst sich auf. Andere Veranstalter klagen über Nachwuchs- und Helfermangel oder fehlendes Publikum. Wird aus der einst blühenden Kulturlandschaft Rödermark eine Steppe?
Das Angebot in Rödermark ist vielfältig im Bereich Kultur. Allerdings waren die Gäste wegen Corona vorsichtig, und aktuell fehlt zum Teil das Geld. Andererseits sind Konzerte mit Preisen weit über 100 Euro oft ausgebucht.
Zurück zum „Red Rooster“: Sie haben 100 Konzerte organisiert. Welche drei waren Ihre persönlichen Highlights?
Da muss ich nicht lange nachdenken: die musikalischen Lesungen mit dem Konzertveranstalter Fritz Rau, dem Schauspieler Reiner Schöne und HR-Legende Werner Reinke sowie die Konzerte mit Anne Haigis und Hans Theessink, die auch immer ausgebucht waren.
Sind nur bekannte Namen Erfolgsgaranten?
Nicht nur, aber es hilft schon auch im Bereich Blues. Wenn Hans Theessink oder Anne Haigis kommen, muss ich mir keine Sorgen machen, dass die Bude voll wird. Aber die anderen Musiker haben es auch verdient, vor ausverkauftem Haus zu spielen!
Und mal ehrlich: Wie oft haben Sie schon gedacht, diese Künstlerin oder diesen Künstler hätte ich besser nicht engagiert?
Ich hatte mal einem befreundeten Musiker gesagt, ich habe demnächst – den Namen verrate ich natürlich nicht – auf der Bühne. Er hat mir abgeraten, und ich habe auf den Rat gehört. Das war aber bisher das einzige Mal, das so etwas passiert. Ansonsten waren alle Konzerte durchweg gut, wenn auch nicht immer voll besetzt.
Wen wollen Sie beim 150. Konzert auf der Bühne sehen?
Mal einen bekannten Bluesmusiker aus Übersee zu sehen, wäre toll. Aber auch Bad Temper Joe mit seiner Band wäre eine tolle Gelegenheit, zumal er auf dem Weg ist, ein ganz Großer im akustischen Blues zu werden. Und auch schon bei der Blues-Challenge im Memphis überzeugt hat.
Die Frage klingt vielleicht dumm, aber ich stelle sie trotzdem. Muss ein Konzertveranstalter eigentlich ein Instrument spielen oder singen können?
Das ist keine Voraussetzung. Ich glaube, Fritz Rau, mit dem ich über die gemeinsame Liebe zum Blues befreundet war, hat auch kein Instrument gespielt. Ein bisschen Bluesgitarre muss schon sein, wenn es die Zeit neben dem Beruf zulässt. Und demnächst probe ich mal mit einem befreundeten Bluesharp-Spieler. Mal sehn, was draus wird, vielleicht stehen wir irgendwann mal gemeinsam auf der Bühne…
Das Gespräch führte Michael Löw.