Sicherheit ist das Gebot Nummer eins

Der eigene Beruf ist Alltag. Doch wie fühlt es sich an, sich auf völlig fremden Gebiet zu tummeln oder auch ein neues Hobby zu testen? Die Redaktion Rödermark probiert’s aus.
Rödermark – An Kerb einen Teddybären geschossen, um den Mädels zu imponieren? Fehlanzeige; ich habe mein Taschengeld lieber am Autoscooter ausgegeben. Mit dem Schnellfeuergewehr auf rote Pappkameraden geballert? Ich war nicht beim Bund, Anfang der Achtzigerjahre war die Kriegsdienstverweigerung Ehrensache. Also habe ich noch nie eine scharfe Waffe in der Hand gehabt, geschweige denn, einen Schuss abgefeuert.
„Ich mach’ das mal“, habe ich überlegt und Matthias Göbel, den Vorsitzenden der Schützengesellschaft Urbeach, gefragt: „Darf ich mal?“ Der zögerte keine Sekunde, und so stehe ich im kühlen Keller der Halle Urberach, wo der Verein seine Schießstände hat. Auf den ersten Knall muss ich lange warten.
Sicherheit, Sicherheit und nochmals Sicherheit bläut mir Matthias Göbel ein. Denn die Sportgeräte sind tödliche Waffen. Da gibt’s nichts zu deuteln. Deshalb heißt Regel Nummer eins auch „Betrachte jede Waffe grundsätzlich als geladen“, danach folgt „Richte niemals eine Waffe auf Menschen“. „Wenn einer mit dem Lauf auf jemanden zeigt, fliegt er sofort raus“, macht Göbel deutlich, wie ernst einem verantwortungsbewussten Vorsitzenden die Sache ist. Noch zwölf weitere Punkte, und ich bin mit der Theorie durch.
Am Airsoft-Stand öffnet mein Ausbilder dann endlich den Koffer. Die schwarze Pistole ist optisch der Nachbau einer „SigSauer“ vom Kaliber neun Millimeter und flößt mir mächtig Respekt ein. Sie verschießt aber nur erbsengroße Plastikmunition, die mit einer Energie von maximal zwei Joule aufschlägt. Will heißen: Treffer am Körper verursachen vielleicht blaue Flecken. Ein Schuss ins Auge kann dagegen üble Folgen haben.
Aber das verhindert zum Glück der praktische Teil der Sicherheitsunterweisung. Die Funktion von Kimme und Korn erklärt Matthias Göbel noch mit ungeladener Waffe, dann füllt er das Magazin. Ohne in die technischen Details zu gehen: Das Zusammenspiel von Schlitten, Sicherungshebel, Regeln und beidhändiger Bedienung ist so komplex, dass ein Schuss aus Versehen eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Die obligate Schutzbrille vor den Augen, gehe ich in Stellung. Die Beine stehen schulterbreit, die Knie sind leicht gebeugt, die Arme mit der Airsoft-Pistole befinden sich auf Nasenhöhe. Die ersten Schüsse durchlöchern die Pappe rund um die Zielscheibe. Die Mädels, denen ich vor Jahrzehnten an Kerb gern imponiert hätte, wären in einen Lachkrampf ausgebrochen.
Ein paar wertvolle Tipps später („Unten anvisieren, oben treffen!“) habe ich erste Erfolgserlebnisse. Ich könnte noch stundenlang Sechs-Millimeter-Babybullets verballern. Göbel bietet gleich mal eine Schnuppermitgliedschaft in der vor zwei jahren gegründeten Airsoft-Abteilung seines Vereins an.
Aber ich will mehr. Und kriege mehr. Matthias Göbel schließt eine Gittertür aus 22 Millimeter dicken Metallstäben auf und tippt einen gefühlt endlosen Zahlencode ins elektronische Schloss der nächsten Stahltür ein. Die beiden Safes im Keller dahinter – einer für die Waffen, einer für die Munition – hätten manche kleine Sparkassen-Filiale neidisch gemacht Auch hier habe ich das Gefühl, wer das Hobby Schießen verantwortungsvoll angeht, kann keinen Schaden anrichten.
Das Sportgerät aus dem Waffenschrank ist eine „Taipan Sport“ aus Tschechien und wird mit Neun-Millimeter-Patronen geladen. Der Verein hat sie erst im April gekauft und laut Matthias Göbel noch nicht richtig eingeschossen. Ein Satz, den ich mir umgehend einpräge...
Der Hightech-Gehörschutz wird das Schussgeräusch von fast 110 auf maximal 65 Dezibel reduzieren, doch Göbels Anweisungen kommen klar und deutlich bei mir an. Unter anderem auch die, dass nur eine einzige Patrone im Magazin steckt.
Die soll natürlich ins Schwarze – oder wenigstens in seine Nähe – treffen. Ich muss ja nur das tun, was mich nach der zweiten Airsoft-Salve hat jubeln lassen. Also durchatmen, die Arme hoch und mit einer fließenden Bewegung abdrücken. Der Knall ist trotz Micky-Maus-Ohren gewaltig, der Rückschlag geradezu höllisch, das Ergebnis niederschmetternd. Die Kugel landet nicht in der Zielscheibe, die sich in 25 Metern Entfernung auf Augenhöhe befindet, sondern in einer Deckenblende ganze zehn Meter vor mir.
Aber was hat Matthias Göbel vor ein paar Minuten von wegen eingeschossen und so gesagt? Die Urberacher Schützen sollen ihre „Taipan Sport“ erstmal richtig einschießen, und dann komme ich wieder. Die Decke bleibt beim nächsten Mal verschont – Ganz sicher? Naja, vielleicht.
Fortsetzung folgt: Nächste Woche mache ich mal, was man besser nicht macht: Ich fahre nämlich unkonzentriert Auto und gerate in den Gegenverkehr. Natürlich nur symbolisch. Aber die Feuerwehr befreit mich mit richtig schwerem Gerät aus den Trümmern. (Michael Löw)


