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Rödermark: Sieben Jahre Kampf um Reha

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Von: Michael Löw

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Margarete Blasczyk aus Rödermark ist seit einem schweren Arbeitsunfall 2003 Frührentnerin. Seit 2014 streitet sie mit ihrer Krankenkasse um eine Reha, in diesem Sommer gibt ihr das Sozialgericht endlich recht. Doch trotz dieses Urteils hat die 72-Jährige ihre Kur noch nicht angetreten. Aber eine Lösung ist in Sicht.

Rödermark – Sieben Jahre Kampf um eine Reha haben Margarete Blasczyk zermürbt, obwohl sie eigentlich Siegerin ist. „Ich habe vor Gericht gewonnen, und die AOK bewegt sich nicht“, klagt die heute 72-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. Nach einem Gespräch mit der Pressestelle der Krankenkasse kommt nun aber Bewegung in die Sache, die Rehabilitation könnte bald Realität werden.

Der komplizierte Streit in Kurzform: Im Januar 2003 stürzt sie an ihrer Arbeitsstelle mit dem Kopf gegen einen Eisenträger. Taubheitsgefühle im Gesicht, Schmerzen im linken Auge und schwindende Sehkraft sind nur einige der unmittelbaren körperlichen Folgen. Für einen späteren Sturz mit einem Oberschenkelhalsbruch ist nach Ansicht von Margarete Blasczyk ebenfalls der Arbeitsunfall schuld. Die vielfältigen Leiden machen sie auch psychisch krank. Sie kann nicht mehr arbeiten gehen. 2006 beantragt sie zunächst Frührente, seit 2014 bekommt sie die gesetzliche Rente: rund 1 000 Euro.

Margarete Blasczyk beantragt im Mai 2014 eine stationäre Reha, für die sie wegen ihrer mittlerweile eingeschränkten Mobilität eine Begleitperson braucht. Die Krankenkasse lehnt ab, die Versicherte legt Widerspruch ein, die Krankenkasse lehnt erneut ab. 2015 klagt Margarete Blasczyk mit Unterstützung des VdK Südhessen vorm Sozialgericht Darmstadt. Der Prozess zieht sich in die Länge, ein Gutachten folgt aufs andere. Ein Mediziner lässt sogar mehrere Fristen verstreichen und wird vom Gericht zu einem Ordnungsgeld verurteilt. 2020 beauftragt Margarete Blasczyk Professor Ansgar Klimbke mit einem Gutachten. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie kommt nach einer ausgiebigen Untersuchung zu einem eindeutigen Ergebnis: Das Krankheitsbild rechtfertigt sowohl die stationäre Reha als auch die Begleitperson.

Am 1. Juli 2021 entscheidet das Sozialgericht, dass die AOK zahlen muss. Etliche Briefe hat Margarete Blasczyk seither an die Krankenkasse geschrieben, Antwort kam nie. Ihrer Ansicht nach hätte die AOK einen Vorschlag machen müssen.

Das stimmt so nicht, sagt der Dietzenbacher Anwalt Karl Kühne-Geiling: „Frau Blasczyk muss ein geeignetes Krankenhaus suchen.“ Dann hätte er einen „Titel“, den er vom Gerichtsvollzieher hätte eintreiben lassen können. Doch wie soll eine alte Frau ohne Internet eine solche Spezialklinik finden?

Unsere Zeitung fragte bei der AOK, wie sich der Sachverhalt aus ihrer Sicht darstellt, warum sich der Prozess über Jahre hinweg zog und ob die vermeintliche Prozessgewinnerin ihre Kur antreten kann.

Selbst für Riyad Salhi von der AOK-Pressetelle war der Rechtsstreit „außergewöhnlich lang und sehr untypisch“. Wegen des Gutachter-Hickhacks gab es Monate ohne Verhandlungstermine. „Selbstverständlich sind wir nach dem Urteil verpflichtet, Frau Blasczyk eine Rehabilitationsmaßnahme zu ermöglichen“, stellt Riyad Salhi klar.

Von heute auf morgen geht das aber nicht. Die AOK braucht einen aktuellen Antrag, um überhaupt eine geeignete Einrichtung zu finden. Denn die Unterlagen aus den Jahren 2014/15 dürften mittlerweile nicht mehr ihren heutigen – wahrscheinlich deutlich schlechteren – Gesundheitszustand abbilden. Dieser Reha-Antrag kann von der behandelnden Praxis gestellt werden und geht von dort direkt an die Krankenkasse. Riyad Salhi will aber schnell reagieren: „Liegt uns dieser vor, werden wir versuchen, unserer Kundin innerhalb weniger Tage eine Lösung anzubieten. Außerdem werden wir uns mit dem Rechtsbeistand unserer Kundin in Verbindung setzen, um das genauer zu klären und zu vereinfachen.“ (Michael Löw)

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