Rödermark: „Soziale Stadt“ langt kräftig zu

380 Euro musste Peter Weigel bisher für eine 33 Quadratmeter große städtische Notwohnung in Rödermark-Urberach bezahlen. Seit Januar bekommt er jeden Monat eine Rechnung über 562 Euro.
Rödermark - Seit fast sieben Jahren lebt Peter Weigel in einer Obdachlosenwohnung der Stadt Rödermark. Am 1. Mai 2016 wurde er von Amts wegen in eineinhalb Zimmer mit Miniküche und ebensolchem Bad eingewiesen. „Durch meine Scheidung habe ich alles verloren“, redet der 75-Jährige nicht lange um den heißen Brei herum. Alles – das heißt nicht nur eine Vier-Zimmer-Wohnung in der Kinzigstraße, sondern auch viel Geld.
Viel Geld muss er seit Anfang des Jahres auch für die 33 Quadratmeter im Haus Am Mühlengrund zahlen, die er sich mit seiner Tochter Sina (17) teilt: 561,90 Euro pro Monat. 2022 waren"s noch knapp 380 Euro gewesen. Auf den Quadratmeter umgerechnet explodierten die Kosten von 11,50 auf 17 Euro – immerhin warm.
Peter Weigel legt Widerspruch gegen die Erhöhung ein. „Die Stadt nimmt das Geld denen ab, die sowieso nichts haben. Das ist unsozial in einer Zeit, wo alles teurer wird“, schreibt er an den Magistrat. Weigel bekommt 1 150 Euro Rente, 130 Euro Wohngeld und Kindergeld für Sina. Letzteres aber nur noch bis zu ihrem 18. Geburtstag im April. 2 500 Euro alte Schulden stottert er in Raten von 60 Euro ab.
17-Jährige wohnt in Sechs-Quadratmeter-Kammer
Weigel schläft auf der Couch im Wohnzimmer. Die Kammer seiner Tochter hat sechs Quadratmeter. Ist die Tür zu, hat die junge Frau Platzangst. Während die Stadt in Nachbarwohnungen Laminat verlegt und teils neue Küchen eingebaut hat, liegt in Weigels Unterkunft noch der PVC-Boden des Ende der Sechzigerjahre eröffneten Altenwohnheims. Und das alles bei besagten 17 Euro je Quadratmeter.
Mietwucher indes kann Peter Weigel der Stadt nicht vorwerfen. Denn Rödermärker, die in Obdachlosenunterkünfte eingewiesen werden, zahlen keine Miete, sondern eine Nutzungsgebühr. Die fasst nach Auskunft von Sozialdezernentin Andrea Schülner alle Kosten zusammen. Und wie teuer Heizung und Warmwasser geworden seien, spüre jeder Eigentümer oder Mieter schmerzlich an seiner Nebenkostenabrechnung.
Weigels Widerspruch hat die Fachabteilung „Soziale Stadt“ abgelehnt. Sie verweist auf den Paragrafen 69 des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (HSOG). Danach hat die einweisende Behörde „einen Erstattungs- und Rückgriffsanspruch gegenüber dem Eingewiesenen“. Das Gesetz enthält noch eine weitere Pflicht, nämlich die der Mitwirkung bei der Suche nach einer regulären Wohnung.
Wenig Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt
„Die nehme ich natürlich ernst“, versichert Peter Weigel und packt drei eng beschriebene DIN A4-Seiten mit Angeboten für Zwei-Zimmer-Wohnungen in Rödermark aus. Erfolg bei der Suche: null. Ein Beispiel? Im Sommer 2021 hatte der Rentner schon eine kleine Wohnung im Franziskushaus in Aussicht. Mitten in die Umzugsvorbereitungen platzte ein Brief des Kreissozialamtes in Dietzenbach: Seine Rente lag 26,66 Euro über der Grenze, bei der das Amt zahlt.
Von Michael Löw
