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Rödermark: Räuber steht vor Gericht

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Von: Stefan Mangold

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1 400 Euro Beute machte ein Räuber, der voriges Jahr ein Drogeriemarkt in Rödermark überfallen hatte. Das deckte gerade die monatlichen Kosten seines Kokainkonsums, den der 47-Jährige als Tatmotiv angab.

Rödermark- Ein Räuber muss sich seit Anfang der Woche vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt verantworten. Staatsanwältin Manuela Stadler-Rück wirft dem zuletzt in Urberach lebenden Angeklagten vor, am 29. September in Rödermark nachmittags die Filiale einer Drogeriekette überfallen und der Kassiererin eine dreißig Zentimeter lange Messerklinge mit den Worten vorgehalten zu haben, „das ist ein Überfall, geben Sie mir Geld“. Die Frau soll dem Mann 1 404 Euro ausgehändigt haben. Sein Mandant wolle aussagen, erklärte Rechtsanwalt Kristian Lossner der Vorsitzenden Richterin Ingrid Schroff.

Wer den 47-Jährigen reden hört und raten sollte, warum er vor dem Strafgericht sitzt, tippte auf Steuerhinterziehung oder Anlagebetrug. Eloquent erzählt der Angeklagte, wie er als Bosnier und Sohn eines Arztes im untergegangenen Jugoslawien den Bürgerkrieg in Kroatien erlebte, als 16-Jähriger über Monate Prügel von denen bezog, „die gestern noch meine besten Freunde waren“.

Silbermedaille im Auto-Ausbeulen

Im Oktober 1993 sei er mit der Familie nach Deutschland geflohen, drei Jahre später wieder zurückgekehrt, kurz darauf aber von Neuem in Deutschland gelandet, wo er letztlich in einer Werkstattfirma gearbeitet habe, die der Mann mit „bei den Amerikanern“ umschreibt. Dort habe er einen formidablen Ruf als „Dellen-Doktor“ genossen, es blendend verstanden, Blechschäden an verunfallten Autos so auszubessern, als sei nichts gewesen. Bei einer Dellen-Weltmeisterschaft habe er die Silbermedaille gewonnen und sich als Karosseriebauer selbstständig gemacht.

Im Rhein-Main-Gebiet hätten Vertreter der Upper Class zu seinen Kunden gezählt. Durch sie sei er mit Kokain in Berührung gekommen. Nach dem, was der Angeklagte von einer Party in der Villa eines Bad Homburger Geschäftsmann erzählte, scheint die Droge in bestimmten Kreisen genauso dazuzugehören wie das Bier beim Sommerfest im Schrebergartenverein. „Es gab ein Kokain-Büfett, auch zwei Polizisten und drei Rechtsanwälte bedienten sich“, erinnert sich der Mann mit dem Faible für präzise Angaben.

Vor Gericht erzählt er von einem ersten finanziellen Schiffbruch im Jahr 2007, als er seine gesamten Ersparnisse in Höhe von 238 000 Euro an einen Anlagebetrüger verloren habe. Ein Jahr später soll seine psychisch kranke erste Frau für 50  000 Euro von seinem Geld auf Shoppingtour gegangen sein.

1500 Euro jeden Monat für Kokain ausgegeben

Außerdem berichtet der Mann von hohen Forderungen des Finanzamtes und der Krankenkasse. Im Monat habe er schließlich 1 500 Euro für Kokain ausgegeben. Im Rauschzustand hätten sich alle seine Probleme verflüchtigt.

Den Überfall räumt Angeklagte ein, der seit Oktober wegen eines fehlenden festen Wohnsitzes in U-Haft sitzt. Er sei damals schon längere Zeit vor seinen Schulden abgetaucht gewesen, habe privat gewohnt, doch die Miete nicht mehr zahlen können. Zur Tatzeit habe er unter Kokaineinfluss gestanden, „außerdem hatte ich anderthalb Flaschen Weißwein intus“. Als er einen Tag später nüchtern erwachte, sei er von seiner Tat erschrocken gewesen und habe sich der Polizei gestellt.

Richterin Schroff ist von der Drogenversion überrascht: „Bei Ihrer Polizeiaussage hatten sie erwähnt, längst kein Kokain mehr zu nehmen.“ „Ich wusste nicht, was ich am besten sage,“ antwortet der Angeklagte ausweichend.

Verteidiger Kristian Lossner erklärte nach einem Blick in die Akten, er habe im November den Antrag ans Gericht gestellt, seinen Mandanten psychiatrisch begutachten zu lassen, „leider blieb der in meinem Büro hängen“.

Der Prozess muss neu anfangen. Richterin Schroff hofft, bis zu einem Termin im Mai längst einen Gutachter gefunden zu haben. Ansonsten muss sie den Angeklagten aus der U-Haft entlassen, weil der dann bereits über ein halbes Jahr einsäße.

Von Stefan Mangold

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