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Rödermark: „Das ist betreutes Regieren!“

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Von: Michael Löw

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Bald wächst kein Gras mehr im Dreieck von Rödermarkring, Frankfurter und Kapellenstraße. Dort werden rund 7,5 Hektar Gewerbegebiet ausgewiesen. Nach Ansicht der Opposition sichert das gerade einmal die Zukunft eines großen Unternehmens, das expandieren will. Für neue Firmen fehlt weiterhin der Platz. Die Koalition aus CDU und Anderer Liste lobt die Wiesen und Äcker hinter der Ruine des „Paramount Park“ als das größte Erschließungsvorhaben seit Jahrzehnten.
Bald wächst kein Gras mehr im Dreieck von Rödermarkring, Frankfurter und Kapellenstraße. Dort werden rund 7,5 Hektar Gewerbegebiet ausgewiesen. Nach Ansicht der Opposition sichert das gerade einmal die Zukunft eines großen Unternehmens, das expandieren will. Für neue Firmen fehlt weiterhin der Platz. Die Koalition aus CDU und Anderer Liste lobt die Wiesen und Äcker hinter der Ruine des „Paramount Park“ als das größte Erschließungsvorhaben seit Jahrzehnten. © Michael Löw

Zwei Dinge prägten am Dienstagabend die Diskussion um den Haushalt 2023 der Stadt Rödermark. Drei Fraktionen hatten neue Redner ans Mikrofon geschickt. Und erstmals seit mehr als 15 Jahren stimmte auch die FDP wieder dem Finanzplan zu – trotz einer auf 1,64 Millionen Euro gewachsenen Deckungslücke. Höhere Steuern müssen Bürger und Unternehmen zumindest dieses Jahr nicht befürchten, denn gut gefüllte Rücklagen ermöglichen den Ausgleich. Der Haushalt war um 22.52 Uhr unter Dach und Fach – knapp eine halbe Stunde nach dem offiziellen Sitzungsende.

Rödermark - Rödermark wirtschaftet weiter im Krisenmodus. Nach der Corona-Pandemie werden der Ukraine-Krieg und die Inflation zu den großen Unwägbarkeiten, die verlässliches Haushalten schwer machen. Darüber waren sich Koalition und Opposition einig. Auseinander gingen die Meinungen erwartungsgemäß bei den Rezepten gegen die Krise. Die Fraktionssprecher hatten 15 Minuten Zeit, ihre Sicht zu erläutern.

Mahfooz Malik (AL): Der 30-jährige Technologieberater, der die Runde eröffnete, ist Direktkandidat der Grünen für die Wahl zum Landtag am 8. Oktober. „Uns ist es wichtig, dass wir Stadtentwicklung generationenübergreifend und ganzheitlich denken“, nannte er einen Schwerpunkt seiner Fraktion. Dank des Landesprogramms „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ könne Rödermark sowohl den Ortskern Ober-Roden als auch Grünflächen in Urberach aufwerten. Personalausgaben von rund 23,6 Millionen Euro – von der Opposition gerne als zu hoch kritisiert – nutzte Malik für ein Lob des „unschätzbaren Wertes“ der Verwaltung. Zu den zukunftsträchtigsten Posten im Etat zählt er 130 000 Euro für ein Radwegekonzept und 400 000 Euro für die Sanierung der Rodaustraße.

Lars Hagenlocher (SPD): „Solide, aber nicht ausreichend“, nannte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende den Entwurf von Kämmerin Andrea Schülner. Die Koalition aus CDU und AL finanziere ihre Lieblingsprojekte wie Stadtumbau und Naturschutz mit Fördergeldern aus Berlin oder Wiesbaden, lasse aber den Sozialbereich links liegen: Die Stadt besitze ganze 52 Sozialwohnungen, doch die Warteliste sei 247 Namen lang. Trotzdem unternehme Schwarz-Grün nichts, um die „miserable Quote“ zu steigern. Bei der Ausweisung von Industriegrundstücken blockiere sich die Koalition gegenseitig, während sie sich im „Verweigern progressiver Ideen“ einig sei. Ein wirksames Konzept gegen Gehwegparker habe sie ebenso abgelehnt wie E-Bikes für die Streifen des Ordnungsamtes.

Björn Beicken (FWR): Der neue Fraktionsvorsitzende war der schärfste Kritiker. „Was Sie machen, ist betreutes Regieren. Dafür kann man politisches Pflegegeld beantragen“, polterte er Richtung Magistrat und Mehrheit. Der Haushalt lässt seiner Ansicht nach jegliche Konsolidierungsbemühungen vermissen. Sein Beispiel: Geplante drei Prozent mehr fürs Personal und ein Prozent für Sachkosten zeigen – bei fast zehn Prozent Inflation –, dass der Haushalt nicht auf Kante, sondern neben dem Stoff genäht ist. Prestigeobjekte wie das neue Jugendzentrum hinterm Badehaus seien Ursache eines Investitionsstaus bei Verkehr und Infrastruktur. Die Politik müsse den Bürgern sagen, was passiert, wenn die Gewerbesteuer nicht mehr so üppig sprudelt: „Dann bleibt nur die Erhöhung der Grundsteuer.“

Tobias Kruger (FDP): In den 22 Jahren seines Parlamentarierlebens haben sich die Schulden der Stadt mehr als verdoppelt, kritisierte der Vorsitzende der FDP-Fraktion: von 17,6 auf fast 39 Millionen Euro. Jeder Rödermärker steht also mit 1 370 Euro in der Kreide. Und Kruger geht davon aus, dass die Schulden weiter steigen. Der Rufbus „Hopper“ werde viel genutzt, doch für jede Fahrt muss die Kreisverkehrsgesellschaft zubuttern. Dieses Geld holt sie sich vom Kreis zurück, der wiederum die Umlage erhöht, die die Kommunen zahlen müssen. Auch die „von oben“ beschlossene Ganztagesbetreuung werde Rödermark viel Geld kosten. Trotz dieser Unwägbarkeiten kündigte Kruger das „Ja“ zum Haushalt an: „Es ist ein Vertrauensvorschuss für die Arbeit des Bürgermeisters.“

Michael Gensert (CDU): Der dienstälteste Haushaltsredner forderte die Opposition auf, „Fortschritte nicht zu übersehen“. Das Gewerbegebiet nördlich der Kapellenstraße werde das größte seit rund 30 Jahren: „Das sind Dimensionen, die hat es seit T&N nicht mehr gegeben“, sagte Gensert mit Blick auf das dort gebaute Märktezentrum. Wer weiteres Industrieland fordere, müsse aber berücksichtigen, dass die Stadt wie am Hainchesbuckel oft nicht einmal die Flächen besitzt: „Auch das gehört zur Ehrlichkeit!“ Wer die Finanzen der Stadt ehrlich bewertet, müsse aber auch zugeben, dass die Haushaltslücke von 1,64 Millionen Euro nicht die ganze Wahrheit ist: „Wir haben hier in Rödermark ein strukturelles Defizit von weiteren rund zwei Millionen Euro.“ (Michael Löw)

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