Rödermark: Vier Jahrzehnte Taktgeber

Das Porträtfoto auf der Titelseite des Programms zum Weihnachtskonzert des Musikvereins Viktoria 08 Ober-Roden ließ es erahnen: Das mittlerweile 54. Konzert hatte mit seinem Dirigenten Dieter Weis diesmal den Star nicht in den Orchesterreihen, sondern am Pult. Wohl keiner der Gäste in der Kulturhalle Rödermark hätte auf Anhieb geglaubt, dass Dieter Weis schon sein 40. Weihnachtskonzert dirigierte. Doch der einstige Lehrer und jetzige Rentner hat trotz seines oft jungenhaften Aussehens diese Seltenheit tatsächlich erreicht.
Seit dem Jahr 1982 leitet er das Große Blasorchester des MVV 08. Im Alter von 25 Jahren wurde er damals als „Eigengewächs“ des Vereins mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut. Er begann eine konsequente Jugendarbeit, um das Orchester durch ausgebildeten Nachwuchs stetig zu verstärken.
Aus diesem Anlass erwarteten die Zuhörer in der Kulturhalle diesmal Highlights der letzten 40 Jahre, Stücke, die entweder den Musikern oder dem Dirigenten besonders gefallen hatten oder beim Publikum besonders gut angekommen waren. Und nach teilweise mehr als 20 oder 30 Jahren hatten diese Stücke nichts an ihrem Reiz und das Orchester nichts an seiner Perfektion verloren.
„Wenn ich mich so umschaue: Viele von euch Musikerinnen und Musikern waren da noch gar nicht geboren; einige andere haben dagegen schon das erste Konzert mitgespielt“, fasste Moderator Norbert Rink das breite Altersspektrum der rund 50 Instrumentalisten zusammen. Sie spielten sinfonische Blasmusik, Popsongs, Melodien aus Musicals, aber auch klassische Musik. Kurzum, Musik der Komponisten Georg Friedrich Händel bis Alfred Reed erklangen an diesem Nachmittag des vierten Advent.
Auch wenn Dieter Weis den Rummel und den minutenlangen Beifall der Zuhörer wie auch seiner Musiker nicht so recht wollte, fand er sich doch mit einem hochzufriedenen Lächeln gut in diese Rolle ein. Mit ausladenden Handbewegungen und mit Kusshänden gab er den Applaus immer wieder an sein Ensemble weiter, und dabei war’s wie immer: Das gesamte Orchester war der Star, viele Solostellen wurden immer sofort wieder im ganzen Ensemble weitergetragen.
Nur ein Solist bekam die große Bühne: Jens Stork, der als langjähriger Erster Trompeter des Großen Blasorchesters dem einzigen neuen Stück im diesjährigen Programm eine ganz besondere Note verlieh: die „Saturday Serenade“ aus Philip Sparkes Stimmungsbild „Manhattan“.
Alle anderen Präsentationen erinnerten an Höhepunkte der vergangenen 40 Jahre, wozu natürlich auch das große Medley unter dem Titel „All You Want For Christmas“ zählte, hinter dem sich Ohrwürmer verbargen.
Zum offiziellen Ausklang – ehe die traditionellen Weihnachtslieder als Finale ertönten – wurde es klassisch: Händel’s Oratorium „Halleluja“, 1742 uraufgeführt, fasste alles zusammen, was es zum Christfest zu sagen gibt.
Bei der Danksagung am Ende überraschte das Orchester seinen blumengeschmückten Dirigenten mit einem „Thank You For The Music“, was ihm sichtlich nahe ging. Ein deutliches Zeichen, wie sehr es auch dem Publikum gefallen hat, war denn auch, dass tatsächlich niemand wie sonst den Saal verließ, um sich den ersten Platz an der Garderobe und im Parkhaus zu sichern. Alle blieben bis zum allerletzten Ton... (Christine Ziesecke)
