Rödermark: Was passiert, wenn das Pubertier zu alt wird?

Theaterprofi Oliver Nedelmann arbeitet gern wieder mit Nachwuchsschauspielern zusammen. Er holt sie entweder für Projekte wie „Es ist doch für immer passiert“, das die Geschichte der jüdischen Geschwister Jaky und Rosel Hecht aus Ober-Roden erzählt, oder für Stücke, die lange laufen, zu sich auf die Bühne. Doch eine Frühzwanzigerin kann die pubertierende Göre irgendwann einmal nicht mehr glaubhaft spielen. Oder die jungen Kolleginnen ziehen aus Rödermark weg. Wir sprachen mit dem Regisseur über seine Art der Nachwuchsförderung.
Herr Nedelmann, wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Im September 2013 bekam ich die Anfrage, ob ich einen Wahlpflichtkurs „Darstellendes Spiel“ für siebten Klassen an der Nell-Breuning-Schule geben könnte. Ich konnte, und so habe ich zwei Jahre an einer Schule unterrichtet – mit Notenvergabe und allem. Das war für mich nach gefühlten 1000 Workshops und zig Jugendtheatergruppen doch noch mal eine ganz neue Erfahrung. Und eine sehr schöne dazu.
Aber wie kam es zum Stück „Pubertierisch“?
2016 hörte ich, dass die Dreharbeiten für den Film „Das Pubertier“ nach den gleichnamigen Geschichten von Jan Weiler ins Kino begonnen hatten. Zugegebenermaßen schöne Geschichten, aber ich hatte auch eine ganze Schublade voller Theaterszenen mit pubertierenden Jugendlichen und ihren Eltern. Einen Teil davon hatte ich für eigene Theaterstücke geschrieben, der größere Teil stammte von Theaterworkshops mit Jugendlichen, die ich im Laufe der Jahre gegeben hatte.
Und der Ehrgeiz war geweckt?
Genau. Ein Jahr nach Beendigung des Schulengagements sprach ich zwei Mädchen aus dem Kurs an, ob sie mit mir ein Projekt machen wollen. Das Ergebnis war „Pubertierisch“. Das Stück hatte im Februar 2017 Premiere. Die ersten Monate spielten Joy Dubanec und Ainikki Arndt abwechselnd, dann ging Joy für ein Jahr in die USA, Ainikki übernahm ganz. Das gemeinsame Spielen machte uns so viel Spaß, dass Ainikki und ich ein Folgeprojekt verabredeten. „Hilfe, Mama ist auf Kur“ war das Ergebnis. Und noch ein Jahr später „Das Pubertier zieht aus“.
Ainikki ist aber nicht mehr dabei...
Ainikki begann eine Ausbildung zur Musicaldarstellerin in Mainz und hat schlicht keine frei verplanbare Zeit mehr.
Und woher kommen die neuen jungen Schauspielerinnen?
Da muss ich etwas einmal ausholen. Im Jahr 2013 gründeten Christiane Murmann und ich – stark unterstützt von Roland Kern, Brigitte Beldermann und Thomas Mörsdorf – die Initiative „Stolpersteine“ in Ober-Roden und Urberach. Dabei wurden einige Projekte angeschoben. Unter anderem ein Schülertheaterprojekt, das sich mit Jugendlichen in Ghetto und KZ auseinandersetzte. In dieser Gruppe waren Jugendliche aus vier Schulen, und so lernte ich Carolin Henning und Sina Zastrow kennen. Kurz vor Corona kam das Stück heraus. Aber immerhin konnten wir fast alle Vorstellungen spielen.
Und Carolin und Sina sind jetzt die neuen Schauspielerinnen?
Ja, den ersten Teil der Trilogie haben die beiden noch abwechselnd gespielt. Der zweite Teil „Hilfe, Mama ist auf Kur“ hatte am 6. Mai Umbesetzungspremiere, der dritte Teil „Das Pubertier zieht aus“ kam am 21. Mai zum ersten Mal auf die Bühne.
Und wie läuft es?
Eine häufige Reaktion auf die Pubertierstücke ist: „Waren Sie bei uns zuhause?“ Es wird viel gelacht, aber auch die eine oder andere Träne verdrückt. Aus Rührung!
Das Gespräch führte Michael Löw.
Theatertipp: Wer Sina Zastrow und Carolin Henning live sehen will, hat Anfang Juni zweimal Gelegenheit dazu. „Mama ist auf Kur!“ steht am Donnerstag, 9. Juni, auf dem Spielplan. „Das Pubertier zieht aus“ ist am 2. Juni zu sehen. Die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr.
