Wimpel mit vielen guten Wünschen

557 Kinder der Trinkbornschule in Rödermark setzen ein weithin sichtbares Zeichen der Solidarität
Ober-Roden – Wie mache ich Grundschülern den Krieg in der Ukraine klar und wie kann ich sie dazu bringen, sich zu diesem bedrängenden Thema selbst Gedanken zu machen und ihre Hoffnungen und Befürchtungen zu artikulieren? In der Trinkbornschule wird dies über eine lange und eindrucksvolle, nachdenklich stimmende Wimpelketten vermittelt. Alle 557 Schüler der Hauptschule und der Breidert-Dépendance haben gemalt, gestaltet oder ausgemalt und auf die Rückseiten ihre Wünsche für ihre Altersgenossen in der Ukraine geschrieben – was für Erstklässler durchaus auch noch ein handwerkliches Problem ist. Vorn drauf farbenfrohe Regenbogen, Friedenszeichen, Tauben, Herzen, ukrainische Fahnen und Farben, auf der Rückseite wirklich gute Wünsche wie „Ich wünsche, dass Frieden für die Menschen ist“ von Tim, „Ich wünsche mir, dass Frieden ist“ von Martin oder von Lisa: „Ich wünsche mir Frieden und dass alle eine Unterkunft finden“. Sehr passend trifft es die Erstklässlerin Darya: „Wir wünschen Frieden und wir sind für euch da.“
Sonja Bucher, Lehrerin in der Klasse 1c, erläutert die Grundidee: „Wir wollten Zeichen setzen, denn das Thema beschäftigt die Kinder sehr. Es war vor allem der Vorbereitungsprozess, in dem wir sie an das Thema herangeführt haben.“ Einige Klassen haben Briefkästen aufgestellt, in welche die Kinder ihre zu Papier gebrachten Fragen und Sorgen dazu werfen können: „So müssen sie es formulieren und wir haben vor dem Beantworten Zeit, uns die Antworten selbst zu erschließen.“
Wir haben keinen einzigen freien Raum
Schulleiter Stefan Wesselmann
Wie vermittle ich Krieg, Flucht und Tod sechs- bis zehnjährigen Kindern? Hilfreich können dabei durchaus auch Beiträge etwa im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein: „Die Sendung mit der Maus etwa oder die ZDF Logo Nachrichten mit ihrer Themenseite zum Krieg in der Ukraine haben dazu sehr sehenswerte und verständliche Beiträge geliefert“, bescheinigt Rektor Stefan Wesselmann.
Die Kinder müssen sich informieren, denn das Thema kommt für sie alle immer näher. Bisher sind in der Trinkbornschule zwei geflüchtete ukrainische Kinder angekommen, eines in der ersten und eines in der vierten Klasse. Aber es werden ab April sehr viele mehr werden, nicht zuletzt wenn das Parkhotel in Rollwald von bis zu 350 Geflüchteten bezogen wird – überwiegend von Müttern mit Kindern. Die Verteilung der Neuzugewanderten übernimmt das staatliche Schulamt. Die Schulen mussten dazu ihre Raumkapazitäten melden.
„Empfohlen werden Intensivklassen, doch erstens müssen dazu mehrere Kinder zusammenkommen, außerdem brauchen wir Personal und vor allem Räume. Und da ist unser Hauptproblem: Wir haben keinen einzigen freien Raum. Wir werden im Sommer voraussichtlich sogar eine siebente 1. Klasse eröffnen müssen. Dann muss auch der Betreuungsraum doppelt genutzt werden, immer im Wechsel, was die Gestaltung sehr schwierig macht, für Unterricht wie für Betreuung.“
Die schon länger ins Auge gefassten Container, die ab dem nächsten Jahr Ausweichmöglichkeiten im Breidert schaffen sollen, könnten vorgezogen werden.
„So hätten wir vielleicht die Chance, die vierten Klassen im Breidert zu lassen. Dann würde hier Raum frei und es müsste auch nicht so viel herumgefahren werden“, peilt Stefan Wesselmann in alle denkbaren Richtungen. „Wir müssen aber vor allem aufpassen, dass es zu keiner Zwei-Klassen-Gesellschaft kommt: jene Kinder, die mit ihren Familien in der Zeit nach 2015 geflüchtet sind und weitgehend aus uns eher unbekannten, fernen Ländern kommen, und den ukrainischen Kindern, die den Bürgern hier doch räumlich wie auch zeitlich jetzt so viel näher liegen. Um hier keine Unstimmigkeiten auszulösen, müssen wir schauen: was haben wir damals gemacht, nach 2015? Die Strukturen müssen auch in Zukunft allen zugute kommen.“ Glücklich darf sich die Trinkbornschule schätzen, dass sie keine offenen Stellen hat, sondern personell wirklich angemessen ausgestattet ist.
Wir wünschen Frieden und sind für euch da
Darya, 1. Klasse
„Nun bemühen sich die Kolleginnen und Kollegen nach Kräften, die neu ankommenden Kinder bestmöglich zu integrieren, was besonders schwierig dadurch ist, dass viele der jüngsten Schüler noch nicht mit lateinischem Alphabet zu tun hatten. Erst, wenn sie schon Englischunterricht hatten, ist ihnen bisher auch unsere Schreibweise nähergebracht worden.“
Wer an den Schulen vorbeikommt, sollte sich einen kurzen Moment Zeit nehmen und einmal auf die Rückseiten der Wimpel schauen. Die Wünsche der Rödermärker Kinder für ihre Altersgenossen aus dem angegriffenen Land sind durchaus auch für Erwachsene eine Überlegung wert. (chz)
