Rödermark: „Wollen stützende Hand sein“

Nach dem Tod eines lieben Menschen bricht für Angehörige oft die Welt zusammen. Doch auch Profis wie Bestatterin Petra Sturm und Trauerredner Matthias Hacker aus Rödermark sind immer wieder sprachlos. Und geben doch Halt.
Rödermark – Trauer wird weltlicher und weniger prunkvoll – ohne jedoch an Würde zu verlieren. Das ist eine Erfahrung, die die Urberacher Bestatterin Petra Sturm und der Trauerredner Matthias Hacker aus Waldacker in den vergangenen zehn Jahren gemacht haben. So lange arbeiten sie zusammen und sehen ihre Berufe nicht nur als Mittel zum Geldverdienen, sondern vielmehr als Berufung und ein Stück Seelsorge außerhalb der Kirchen.
Petra Sturm hatte die alteingesessene Pietät damals von ihrem Schwiegervater übernommen, Matthias Hacker hatte ein Jahr zuvor nach mehr als 300 Stunden Ausbildung das Zertifikat als Trauerredner und Trauerbegleiter erhalten. Er war’s dann auch, der auf die Bestatterin zuging: „Im Gespräch haben wir schnell festgestellt, dass unsere Philosophien zueinander passen.“ Will heißen: Angehörigen in einer scheinbar haltlosen Zeit mit Kraft und Hilfe zur Seite stehen.
Matthias Hacker hatte selbst Phasen, in denen sein Leben haltlos erschien: Innerhalb kurzer Zeit starben sein Opa und sein Onkel, der ihm ebenfalls sehr nahe stand. Wenig später verlor seine Mutter den Kampf gegen ALS – die Amyotrophe Lateralskelrose ist eine Krankheit, die bestimmte Nervenzellen befällt. Gehirn und Rückenmark können die Muskeln nicht mehr steuern. „Gerade in dieser Zeit durfte ich erleben, was es bedeuten kann, wenn eine andere Person die stützende Hand reicht“, sagt Hacker. Bei mittlerweile mehr als 1 200 Beerdigungen war er jene Hand des Trostes und der Ermutigung.
Viele Trauernde erleben sich als Mensch in zwei Welten. Matthias Hacker: „Sie sind hin und her gerissen zwischen ,Es war einmal’ und ,Es wird nie wieder sein.’“ In diese Lage versuchen sich Hacker und Petra Sturm hineinzuversetzen. Die Bestatterin will Angehörigen bei der ersten Begegnung die Angst nehmen. Denn ihr ist bewusst: Ihre Kunden wollen nicht zu ihr kommen, sie müssen zu ihr kommen. Kaum etwas wäre Petra Sturm unangenehmer, als wenn „Angehörigen vor lauter Urnen und Särgen die Luft wegbleibt“.
Matthias Hacker ist freier Trauerredner. Doch außer weltlichen Trauerfeiern gestaltet er auch religiöse. Denn – diese Zahl überrascht viele – ungefähr 60 Prozent seiner Kunden gehören noch einer der großen christlichen Kirchen an.
Es mag wie eine Binsenweisheit klingen: Das Sterben ist so vielfältig wie das Leben. Hacker hat eine 100-Jährige beerdigt, die einem Tag vorher noch mitten im Alltag stand. Und er stand etlichen Eltern zur Seite, deren Kinder tot zur Welt kamen. Die Liste tragischer Geschichten ist scheinbar endlos: Suizid – sogar von Kindern – Tötungsdelikte, Flugzeugabsturz, der Tod von mehreren Familienmitgliedern. Eine seine ersten Beerdigungen war die eines Schulfreundes, der mit seinem Motorrad tödlich verunglückte.
Matthias Hacker hat an den Gräbern von Handwerkern, Richtern, Hebammen und Profifußballern die passenden Worte gefunden. Das muss er auch, wenn er zu heillos zerstrittenen Familien gerufen wird. Zertifikate in Notfallpsychologie und Trauerbewältigung sind ein Aspekt seiner Tätigkeit. Noch viel wichtiger ist Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, sich ein großes Stück in Menschen hineinzuversetzen, die einen Angehörigen verloren haben. Das war einer der Beweggründe warum Petra Sturm und Matthias Hacker ein Trauerinstitut gegründet haben, um hier Angehörigen Unterstützung anzubieten.
Sowohl Bestatterin als auch Trauerredner lassen Emotionen zu. „Ich sitze auch mal weinend bei Angehörigen“, erzählt Petra Sturm. Zum Beispiel, wenn ein Kind aus einer bekannten Familie gestorben ist. Viel Kraft hat sie ein Beziehungsdrama gekostet. Ein Mann hatte seine Lebensgefährtin erstochen und dabei auch das Baby im Mutterleib getötet. Matthias Hacker ist am Grab schon mal zornig. Wie soll er sonst damit fertig werden, dass er einen Zwölfjährigen beerdigt, der sich nach sechs Jahren Krebs scheinbar wieder ins Leben zurückgekämpft hat?
Bei aller Trauer, Tragik und Traurigkeit: Petra Sturm und Matthias Hacker wollen Hinterbliebenen zeigen: Das Leben geht weiter! Deshalb sind sie auch immer froh, wenn im Trauergespräch mal befreiend gelacht wird, sofern Angehörige einen Schwank aus dem Leben des Verstorbenen erzählen. (Michael Löw)
