Rödermark: Zockersessel locken zum Buch

Seit einem Jahr hat Lisa Schmitt im Bücherturm Rödermark das Sagen. Die Nachfolgerin von Brigitte Stenske will das Potenzial ausbauen und hat vor allem jüngere Kundschaft im Blick. Ohne dabei die Stammleser aus den Augen zu verlieren.
Rödermark - „Unser Publikum kann 2023 nicht nur den bewährten Ausleihservice nutzen, sondern darüber hinaus auch neue Dinge entdecken“, sagt sie und kündigt Lesungen, Veranstaltungen mit Büchertipp-Charakter und weitere Treffen der Reihe „Kreativ-Mark(t)“ an. Gerade fertig geworden ist ein Gaming-Bereich für junge Leute, also eine Computerspiel-Ecke.
Anfang 2022, als Lisa Schmitt Leiterin der Stadtbibliothek wurde, gab es noch jede Menge Corona-Beschränkungen. Doch mittlerweile haben sich die Fesseln gelöst. Die 27-Jährige, die aus dem Taunus stammt, in Hamburg studiert hat und anschließend als Bibliothekarin ins Rhein-Main-Gebiet zurückgekehrt ist, führt die Besucher ins Souterrain zur Gaming-Ecke. Mit Hilfe von 12 500 Euro Fördermitteln des Landes Hessen wurde der Technikbereich für Videospiel-Enthusiasten eingerichtet: mehrere Konsolen, eine VR-Brille, drei trendige Zockersessel und eine ganz und gar nicht langweilige Spiele-Auswahl. Wer einen Lese-Ausweis vorzeigen kann, darf ins virtuelle Vergnügen mit viel Tempo, Spannung und strategischem Kalkül eintauchen.
„Durch Corona hat die junge Zielgruppe bei uns und in anderen Einrichtungen stark gelitten. Da ist viel weggebröckelt. Wir müssen uns bemühen, wieder Anknüpfungspunkte zu finden und neue Zugänge zu schaffen“, betont Lisa Schmitt die Notwendigkeit, ausgerechnet mit dem argwöhnisch beäugten Computern fürs Lesen zu werben.
Mit ihrem Stellvertreter Bernhard Nowak und Angela Knuth will Lisa Schmitt allerdings darauf achten, dass altersgerechte Spiele ausgewählt und die Plätze nicht stundenlang von ein und derselben Gruppe blockiert werden. Auch kleine Wettbewerbe soll es geben, erstmals während der Osterferien.
Videospiele und Bücherregale in trauter Nachbarschaft? Was Puristen womöglich die Nase rümpfen lässt, passt durchaus in den neuen Zuschnitt, der Schmitt vorschwebt. Bereits bei ihrem Einstieg hatte sie betont, dass eine Weiterentwicklung der klassischen Bücherei-Arbeit unumgänglich ist. Die einstigen Ausleihstationen müssen sich ihrer Ansicht nach als sehr viel breiter aufgestellte Plattformen für Kommunikation, geistige Anregung und Austausch präsentieren. Nur so sei Zukunftsfähigkeit gewährleistet.
Dabei, so Lisa Schmitt, helfe auch der Blick auf internationale Trends. In Helsinki und London gebe es gute Beispiele. Schmitt hofft, neue Dinge einpflanzen und damit den Bücherei-Alltag aufwerten zu können. Doch sie weiß natürlich auch, dass ein Haus in kleinstädtisch-mittlerer Größenordnung à la Rödermark (Medienbestand: gut 26 000; Ausleihen im Jahr 2022: knapp 36 000) die klassisch-konventionelle Schiene nicht vernachlässigen darf.
Lesungen, Bücherflohmärkte, Bestseller-Tische: Das Altvertraute gehört zum unverzichtbaren Repertoire. So will Schmitt bei der Programmplanung ihre Fühler auch nach bekannten Namen ausstrecken. Die österreichische Thriller-Spezialistin Ursula Poznanski, die auf „New Adult“ (18- bis 30-Jährige) fokussierte Schriftstellerin Ava Reed und der Kinderbuchautor Jochen Till sind auf einer Wunschliste vorgemerkt. Ob und wann Auftritte im Bücherturm zustande kommen, ist noch offen.
Fest steht hingegen, dass „LeseZeichen“, der rührige Freundeskreis der Stadtbücherei, am Ball bleibt. Für das Frühjahr werden ein Autorenquiz und eine Veranstaltung unter dem Titel „Lieblingsbücher“ vorbereitet.
Die Stadt will einige Angebote auch nach Urberach exportieren – so zum Beispiel einen Schiller-Abend im „SchillerHaus: Diese Trilogie wird für das erste Halbjahr angedacht. Im Herbst könnte eine „Jüdische Woche“ mit großer Bandbreite folgen. „Ein ehrgeiziger Plan. Wir arbeiten daran“, versichert Thomas Mörsdorf, der Leiter des kommunalen Fachbereichs für Kultur, Heimat und Europa. (Michael Löw)
