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Am früheren RWE-Sitz: Bis zu 500 Jobs im Nextec-Campus

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Die Nextec Holding am einstigen RWE-Sitz
Neues Leben für einstigen RWE-Sitz: Die Nextec Holding übernahm das Verwaltungsgebäude und will es um einen Flügel erweitern. © Klemt

Auf der anderen Mainseite tut sich etwas: Rund zehn Jahre nachdem der Energieversorger RWE sein altes Kohlekraftwerk gegenüber dem Seligenstädter Wohngebiet Amaliasee abgeräumt und den Standort Großwelzheim heruntergefahren hat, ist am Gustavsee ein neues Unternehmen am Start.

Karlstein/Seligenstadt – Bis zu 500 Arbeitsplätze will die Nextec Holding, deren Geschäftsführer Gunther ter Bahne jetzt den Schlüssel übernommen hat, in den alten RWE-Gebäuden generieren, ausdrücklich auch für Arbeitnehmer aus dem Ostkreis Offenbach. Mit dem Einstieg von Nextec bleibt die Zeche Gustav, wie das Industriegebiet in Erinnerung an den vor 120 Jahren dort begonnenen Braunkohletagebau heißt, auch künftig Energiestandort. Mit ihren Gesellschaften Bit GmbH und Datacenter Operations (DCO) baut und betreibt die schon bisher in Karlstein ansässige Holding laut ter Bahne Rechenzentren für tausende von Internet-Servern.

In zwei Jahren, so hofft der Chef, soll die expandierende Firmengruppe mit zunächst 40, später 60 Beschäftigten in dem früheren Verwaltungsgebäude der RWE aus den 1980er Jahren residieren. Belegt sein wird nach ter Bahnes Plänen dann höchstens einer von insgesamt zwölf Bürofluren, die Nextec bevorzugt Mietern aus den Branchen Energie und Digitalisierung anbieten will. Einen kompletten Flügel will der neue Eigentümer an die bisher L-förmige Immobilie zwischen dem früheren Standort des ersten deutschen Kernkraftwerks nördlich der internationalen Akku-Schmiede BMZ anbauen. Zur Verfügung stehen dort auf vier Etagen jeweils drei Bürokomplexe zu je 400 Quadratmetern Nutzfläche. Je ein Rechenzentrum kommt in den Keller und aufs Dach.

Nextec-Chef will historisches RWE-Pumpenhaus am Standort in Karlstein nutzen

Gern nutzen würde der Nextec-Chef das historische Pumpenhaus, das einst Kühlwasser für das RWE-Kohlekraftwerk aus dem Gustavsee förderte. Dort installiert, soll eine Wärmepumpe die Gebäude im Winter heizen und im Sommer kühlen. Fraglich ist laut ter Bahne noch, ob das Seewasser aus dem Vogel- und künftigen Naturschutzgebiet dafür genutzt werden darf – ob eventuell sogar die alte RWE-Genehmigung auf die neue, ökologisch weit effektivere Konzeption übertragbar sei.

Nachhaltigkeit hat der Geschäftsführer im Nextec-Zielkatalog weit oben notiert. So soll der gesamte Bürokomplex nach energetischer Sanierung und Erweiterung den KfW-70-Standard übertreffen. Die neue Fassade wird begrünt und wie das Dach mit Fotovoltaik bestückt. All das qualifiziert den Nextec-Campus, so ter Bahnes Arbeitstitel, für den bayerischen Umweltpakt. Die Urkunde des Freistaats hatte Dr. Alexander Legler (CSU), Landrat im Kreis Aschaffenburg, zur Schlüsselübergabe mitgebracht.

Öffentliches Restaurant auf ehemaligem RWE-Gelände in Karlstein?

Legler lobte engagierten Einsatz für Klima und Lebensqualität. Unter anderem will Nextec nach dem Umbau des Verwaltungsgebäudes den früheren Kantinenbau nebenan modernisieren und eventuell ein öffentliches Restaurant als Ausflugsziel im Mainvorland schaffen. Karlsteins Bürgermeister Peter Kreß (FDP) sieht das 3,2 Hektar große Kerngebiet als Modell für das komplette Industrie-Areal, das laut RWE-Immobilienmanager Joachim Spitzer noch bis zu 13 Hektar entwicklungsfähige Fläche bietet.

RWE-Immobilienmann Joachim Spitzer (links) und Nextec-Chef Gunther ter Bahne
Den Schlüssel übergibt RWE-Immobilienmann Joachim Spitzer (links) an Nextec-Chef Gunther ter Bahne. © Klemt

Dem Umwelt- wie dem Klimaschutz dienten nicht zuletzt die wohnortnahen Arbeitsplätze, betonte Landrat Legler bei der Feier mit etwa 100 Gästen, darunter neben vielen Nextec-Mitarbeitern auch ehemalige RWE-Beschäftigte. Walter Krill vom Karlsteiner Geschichtsverein erinnerte in einer historischen Rückschau an die verbindende Wirkung der Energiewirtschaft im Grenzland. So gehe die Gründung der Gewerkschaft Gustav in Großwelzheim 1902 auf Gustav Müller, Direktor des bereits seit 1888 aktiven Braunkohletagebaus Amalia in Seligenstadt, zurück.

Angebot von Nextec auch an künftige Mitarbeiter aus Seligenstadt, Mainhausen und Hainburg

Auch später, besonders nach der Übernahme durch RWE 1928, hat der Standort laut Krill grenzüberschreitend die Region geprägt – mit Stromlieferungen nach Hessen bis Darmstadt und Offenbach, einem Umspannwerk für 1,5 Millionen Stromkunden in 2 500 Quadratkilometern Umkreis und nicht zuletzt Deutschlands erstem Kernkraftwerk. 1961 angefahren, habe das Versuchsatomkraftwerk (VAK) bis zur planmäßigen Stilllegung 1985 insgesamt 2,1 Milliarden Kilowattstunden produziert und sei bis 2010 wiederum als erstes AKW vollständig zurückgebaut worden.

Eher verbindend als trennend sieht auch Gunther ter Bahne, gebürtiger Westfale, die Grenzlinie Main: Auf Expansion gepolt, unterbreite sein Unternehmen ein Angebot „auch an künftige Mitarbeiter aus Hessen“. (zrk)

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