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„Anfangs gab es viele Reibungsverluste, als die Flüchtlingswelle nach Deutschland überschwappte“

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Von: Yvonne Fitzenberger

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Flüchtlinge gehen über das Gelände einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. symbo
Flüchtlinge gehen über das Gelände einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. symbo © dpa

Ende Februar 2022 kamen die ersten Meldungen, dass Russland die ganze Ukraine attackiert. Seitdem sind zahlreiche Frauen, Männer und Kinder nach Deutschland geflüchtet und unter anderem in Seligenstadt untergekommen. Eine Bilanz nach einem Dreivierteljahr Krieg.

Seligenstadt – „Das lief ganz anders ab“, sagt Henning Berz vom Arbeitskreis (AK) „Willkommen in Seligenstadt“ über die Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland, aber auch konkret in Seligenstadt. Der Vorsitzende des AK engagiert sich seit Gründung für den Verein und half bereits während der ersten Flüchtlingswelle aktiv mit.

Detailliert erläutert er die Unterschiede, auf welchem Weg Geflüchtete in Deutschland ankommen und wie die Vorgehensweisen sind (siehe Kasten). „Es gab anfangs viele Reibungsverluste“, sagt Berz. Und, obwohl der Prozess inzwischen gut eingespielt sei, so der Vorsitzende, verlief es zu Beginn des Ukrainekrieges anders. Als Europäer flüchteten Ukrainer über den Landweg, überschritten die Grenzen zu Nachbarländern und reisten von dort aus nach Deutschland. „Dadurch fehlt die Registrierung“, sagt Berz. Und damit auch Dokumente sowie finanzielle Mittel.

Es entstand so ein Zeitverlust in der Versorgung der angekommenen Flüchtlinge. Um diesen aufzufangen, organisierte der Arbeitskreis ehrenamtliche Hilfe – finanzielle Unterstützung, Kleidung und Unterkünfte bei Privatpersonen. Aus dem Bedarf an Alltagsgegenständen entstand beispielsweise die „Bunte Kiste“ in Kooperation mit der Kolpingfamilie.

Denn: „Auch wenn sie sich im Anschluss registriert haben, haben die Flüchtlinge keinen Anspruch auf die Unterbringung in einer Notunterkunft“, sagt Berz. Auch staatliche finanzielle Unterstützung bedurfte eines wesentlich längeren Antragswegs bis zur Ausschüttung.

Dabei sei die Hilfsbereitschaft der Menschen sehr groß gewesen. „Aufgrund ihrer Herkunft erfahren die Ukrainer weniger Ablehnung“, hat Berz festgestellt. Die Integration der Kriegsflüchtlinge stelle sich daher auch einfacher dar. Durch ihren europäischen Pass finden Erwachsene zudem leichter Arbeit. „Viele haben eine gute Ausbildung genossen und sprechen mehrere Sprachen fließend“, berichtet Berz. Und wer noch kein Deutsch spricht, bemühe sich die Sprache schnellstmöglich zu lernen – zumindest bei denjenigen, die im Ostkreis bleiben wollen.

Die Integration bei den Jüngeren stellt sich schwieriger dar: Ihnen fehlt die sprachliche Grundlage. Die Schulen und Kindertagesstätten gehen sehr unterschiedlich mit den ukrainischen Kindern um – teils gibt es separate Kurse, teils wird versucht, die Jungen und Mädchen in die Klassen zu integrieren.

Arbeitskreis-Vorsitzender Berz berichtet, dass seiner Erfahrung nach schon viele Ukrainer wieder zurück in ihrer Heimat sind, nachdem sich das Kriegsgeschehen aus den großen Städten zurückgezogen hatte. „Das war ein Fehler“, betont er, denn kurz darauf fokussierten sich die russischen Angriffe auf die Infrastruktur des Landes. Berz hält eine weitere Flüchtlingswelle aus der Ukraine für möglich – allerdings auch aus Afrika beispielsweise.

Noch puffere die zentrale Aufnahmestelle in Wiesbaden die Menge an Flüchtlingen, jedoch befürchtet Berz, dass dies nicht lange anhalten wird – das bedeute Zwangszuweisungen an Kommunen wie Seligenstadt. Dabei kommen Berz zwei große Probleme in den Sinn: Zum einen der Mangel an Unterkünften, die wenigstens etwas Privatsphäre erlauben für die Flüchtlinge sowie ein Mangel an Helfern beziehungsweise aktiven Vereinsmitgliedern. „Wir wären froh, wenn wir gut 20 Helfer mehr wären“, sagt Berz und betont, dass auch Flüchtlinge selbst mit anpacken – als Zeichen der Dankbarkeit. (YVONNE FITZENBERGER)

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