Auch die Seligenstädter Fastnacht hat ihren Preis

Zum Rosenmontagszug bekommen die Seligenstädter Narren die gestiegenen Kosten zu spüren. Das wirft auch Zukunftsfragen rund um die Fastnacht auf.
Seligenstadt – Großes Gewusel herrscht am Samstagmittag in der Heimatbundhalle, überall wird geschraubt, gekleistert und gemalt. Alle arbeiten auf den Höhepunkt der fünften Jahreszeit, den großen Rosenmontagszug in Seligenstadt, hin. 180 Wagenbauer sind in den Wochen vor Rosenmontag in der Halle, um an den vielen Wagen für den Umzug zu werkeln.
Heimatbund Seligenstadt: Fröhliche Stimmung und ernste Gedanken
Bei aller fröhlichen Stimmung kurz vor dem Fastnachtshöhepunkt, macht man sich beim Heimatbund aber auch ernstere Gedanken, denn: Auch vor der Fastnacht machen die gestiegenen Kosten keinen Halt. „Nicht nur Häusle bauen ist teurer geworden, Wagen bauen auch“, sagt Michael Eiles vom Heimatbund.
Für die knapp 20 Wagen, die derzeit in der Halle entstehen, fällt allerlei an Material an: 6,5 Kilometer Rundeisen, drei Kilometer Kanthölzer, Dachlatten und Bretter, 600 Quadratmeter Spanplatten, dazu kommen Zeitungen, Stoffe, Farben, Schrauben, Kleister und und und. Das Material für seine Mitgliedervereine besorgt und finanziert der Heimatbund. „Wir haben bei den Materialkosten teilweise eine Steigerung von 100 Prozent“, sagt Vorsitzender Richard Biegel.
Und nicht nur beim Wagenbau wird es für den Veranstalter des Umzugs teurer. „Am stärksten schlagen sich die Preissteigerungen bei Security, Sanitätsdienst und den Miettoiletten nieder“, sagt Michael Eiles. Insgesamt 120 Security-Mitarbeiter sind am Rosenmontag – zusätzlich zur Polizei – in Seligenstadt im Einsatz. Weil für sie seit dem vergangenen Umzug 2020 beispielsweise der Stundenlohn gestiegen ist, sind auch die Kosten für den Heimatbund in diesem Jahr knapp 2 800 Euro höher. Auch für den Einsatz des Roten Kreuzes sind die Preise gestiegen. Am deutlichsten ist der Unterschied aber bei den knapp 60 Miettoiletten, die entlang der Zugstrecke aufgestellt werden: Mit rund 4 600 Euro mehr ist der Preis dafür im Vergleich zu 2020 mehr als doppelt so hoch.

Seligenstädter Fastnacht: Gespräche mit der Stadt
Zumindest die Anforderungen an den Zugveranstalter sind laut Erstem Beigeordneten Michael Gerheim gleich geblieben, wenn auch nicht die Kosten dafür. Von der Stadt erhält der Heimatbund wie immer finanzielle Unterstützung. So zahlt die Kommune beispielsweise rund 22 500 Euro für die Straßenreinigung sowie knapp 51 000 Euro für Leistungen des Bauhofs, Absperrungen und andere Aufwendungen rund um den Umzug.
Aktuell laufen zudem Gespräche, ob und wie der Zuschuss zur Fastnacht an den Heimatbund im neuen Haushalt erhöht werden kann. Auch, ob die Stadt helfen kann, wenn der Zug wie 2019 wegen Sturm noch am selben Tag abgesagt werden muss, werde besprochen.
„Es kann aber auch nicht alles bei der Stadt und dem Steuerzahler abgeladen werden“, sagt Bürgermeister Daniell Bastian. „Da bekommt die Stadt irgendwann auch Probleme, weil es ja auch noch Menschen gibt, die keine Fastnachter sind.“ Letztlich müsse die Stadt ihre Ausgaben erklären können.
Seligenstädter Heimatbund: Absage vom Rosenmontagszug „nicht ganz weit weg“
Wie lang der Heimatbund Verantwortung und Kosten für den Umzug noch tragen kann, weiß niemand. Mit dem Verkauf der Zugplaketten bekomme man, auch wenn es gut läuft, die Ausgaben wohl nicht wieder rein, meinen Biegel und Eiles.
In der Pfalz haben in diesem Jahr mehrere Orte – auch aufgrund strengerer Auflagen und dem damit verbundenen Kosten- und Personalaufwand – ihre Züge abgesagt. Ob das dem Seligenstädter Rosenmontagszug in naher Zukunft auch blühen könnte? „Nach meiner persönlichen Einschätzung sind wir davon nicht ganz weit weg“, sagt Eiles. Kommerzialisieren will man den Umzug aber nicht. „Es ist Tradition, dass der Zug aus dem Volk heraus gestaltet wird“, so Richard Biegel.
Seligenstädter Fastnacht: Gruppen werden kreativ
Den Eindruck, daran festhalten zu wollen, machen auch die Gruppen, die sich am Umzug beteiligen. Die „Gruppe Fecher“ ist in diesem Jahr zum 34. Mal dabei. „So lange der Heimatbund das Material bezahlt, machen wir weiter. Und wenn nicht, gucken wir, ob wir es selbst stemmen können“, sagt Herbert Fecher. In der Gruppe ist man bereits in diesem Jahr kreativ geworden, denn auch die Kostüme, die sämtliche Gruppen selbst nähen, sind teurer geworden. „Wir tragen dieses Jahr aus alten, zusammengestückelte Kostüme“, sagt Fecher.
Und auch ein paar Meter weiter, wo die „Pienzjer“ gerade an ihrem Handwagen bauen, wird improvisiert. Die Vulkanlandschaft gestalten sie aus Verschnitt der anderen Gruppen. „Wir improvisieren generell viel. Das kommt uns jetzt zugute“, ist sich die Gruppe einig. (Von Laura Oehl)