Die schnellste Fähre der Welt: Autoren präsentieren ihre Werke im Rathausinnenhof

Zum „Tag für die Literatur“ haben zahlreiche Autorinnen und Autoren aus Seligenstadt und Umgebung ihre Werke im Seligenstädter Rathausinnenhof vorgetragen. Darin ging es vor allem um Änderungen und Umschwung.
Seligenstadt – Der Rathausinnenhof am Seligenstädter Marktplatz wurde am Sonntagnachmittag für zwei Stunden zum literarischen Salon der Einhardstadt. Die Zeiten sind ernst, die Demokratie in Europa ist durch Krieg und Populismus bedroht, es wird also höchste Zeit, dass die Poesie ihr Haupt erhebt und auf ihre eigene Weise Stellung bezieht – so der Aufruf des Skriptoriums Seligenstadt.
Acht Autorinnen und Autoren aus Seligenstadt und dem weiteren Umland beschäftigten sich in ihren kreativen Literatur-Beiträgen an jenem 7. Mai, der hessenweit zum „Tag für die Literatur“ ausgerufen worden war, mit den aktuellen Themen Änderung, Umschwung und neue Perspektiven.
Zwei Dutzend Zuhörer im Seligenstädter Rathausinnenhof
In den privaten Schreibstuben des vor sieben Jahren gegründeten Skriptoriums Seligenstadt war viel zur Thematik passendes, kreatives Gedankengut in Worte gefasst worden. Nach der Begrüßung der zwei Dutzend Zuhörer durch Bernhard Bauser und Sven Buchsteiner war es an Bauser, den Reigen literarischer Kunst-Kurzwerke zu eröffnen. Alle Genres waren an diesem Nachmittag vertreten – vom Gedicht über Spoken Word bis zu Kurzprosa und Erzählung.
„Wir müssen unbedingt mal 'was zusammen machen“, meinte Bernhard Bauser (Steinheim). Eine Phrase, die wohl jeder schon gehört hat, unter Umständen selbst einem Mitmenschen leichtfertig versprach. Aus „Irgendwann“ werde dann oftmals ein „Nirgendwann“ – weil es eben zu spät ist.
Autoren aus Seligenstadt und Umgebung
Der junge Autor Jannis Zeiger aus Mainflingen trug dem Auditorium eine Kurzgeschichte vor, im Hintergrund wehten – wie auch bei den folgenden Literaten – untermalende, wohlklingende Querflötenklänge eines Straßenmusikers vom nahen Marktplatz herüber. Rita Schönig (Seligenstadt) teilte Kriegsbeginn-Erinnerungen ihres Großvaters mit dem Auditorium. „Eine Wäscheleine trägt Klammern, sonst nichts“, wechselt Angelika Weimer (Hanau) auch gerne mal die Perspektive in Miniaturwelten.
Ein ums andere Mal gesellten sich neue Zuhörer in den Rathausinnenhof. Die im noch jungen Wonnemonat eingetroffenen Rauchschwalben schwirrten aufgeregt zu den Nestern unter die Torbögen des Standesamts, ein gutes Dutzend Tauben saß auf dem Dachfirst des historischen Gemäuers, blickte herunter auf das Literatur genießende Auditorium.

Seligenstadt mit der „schnellsten Fähre der Welt“
Mit viel Humor erzählte Autor Peter Jabulowsky (Nidderau) in seiner Kurzgeschichte „Leben 4.0“ von der blubbernden „Nele“, die den Fluss kreuzende Seligenstädter Mainfähre. Technisch hochmodern aufgerüstet mit künstlicher Intelligenz (KI) und E-Motor quert sie – so Jabulowsky – in immer kürzer werdenden Frequenzen den Fluss, sorgt so für einen Touristen- und Wirtschaftsboom in der Einhardstadt. Der einfallsreiche Autor erntete viel Schmunzeln für die Fantasie, dass „Nele rastlos zischend zur schnellsten Fähre der Welt mit zukunftsweisender Fährtechnologie“ wurde.
Gereimt und gesungen und durchaus kritisch mit dem Wandel ging Dr. Dieter Petrosch (Frankfurt) mit der Gegenwart ins Gericht. Sven Buchsteiner (Seligenstadt) präsentierte Gedichte aus seiner Feder: Etwa zum Intervallfasten, bei dem Hüftgold schmilzt, der Magen grollt und ein böser Zwerg voller Angst und Gier zu nicht erlaubten Genüssen verlocken will.
Inspiration aus dem Seligenstädter Kloster
Autorin Barbara Döring, noch mit der alten „Nele“ über den Fluss angereist, hat sich in ihrer Erzählung dem ereignisreichen Leben eines alten Baumes und so dem Thema Klimawandel zugewandt. „Hierzu habe ich mir Inspiration von einer im Klosterinnenhof stehenden Blutbuche geholt“, verriet die Autorin aus Alzenau nach ihrem Auftritt.
Die Autoren und Autorinnen des Skriptoriums Seligenstadt treffen sich jeden ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr im Frankfurt Hof in Seligenstadt. Das nächste Mal allerdings erst am 13. Juni um 19 Uhr, berichtet Sven Buchsteiner. (Von Holger Hackendahl)
Tag für die Literatur
Alle zwei Jahre organisiert der Hessische Rundfunk in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Literaturrat und dem Verein der Freunde und Förderer des Literaturlands Hessen das Festival „Tag für die Literatur“. Es ist Teil des Netzwerkprojekts „Literaturland Hessen“.
Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst fördert das Festival mit insgesamt 40 000 Euro. Ziel des gemeinsamen Aktionstages ist es, die ganze Vielfalt von Literatur in und über Hessen darzustellen: Comic und Lyrik, zeitgenössische Literatur und Klassiker, Poetry Slam und Krimi. Dabei sind den Teilnehmern für Art und Ort ihrer Aktion keine Grenzen gesetzt. (yfi)