Bündnis gegen Depression: Schlimmste aller Schmerzarten

Das Seligenstädter Bündnis gegen Depression sensibilisiert während ihrer Auftaktveranstaltung für das Thema.
Seligenstadt – Depression kann jeden treffen. Depression hat viele Gesichter. Die psychische Erkrankung ist – obwohl sie jährlich Millionen Menschen trifft – ein gesellschaftliches Tabu-Thema. Viele versuchen, die trübe Gedankenwelt mit sich selbst auszumachen, kämpfen gegen „dunkle Schatten“ und verheimlichen ihr seelisches Leiden. Erst der Suizid des Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke am 10. November 2009 hat die psychische Erkrankung in den öffentlichen Fokus gerückt.
Am Mittwochabend stellte sich das im Juli 2022 gegründete Seligenstädter Bündnis gegen Depression erstmals der Öffentlichkeit vor. Und die Resonanz war immens. Rund 400 Interessenten – Fachleute, Betroffene und Angehörige aus der gesamten Region – strömten zur Auftaktveranstaltung in den Riesensaal. „Wir hatten 385 Voranmeldungen“, so Moderatorin Mareike Wilz.
Professor Dr. Jonathan Repple, geschäftsführender Oberarzt am Universitätsklinikum Frankfurt, gab nach dem Grußwort mit einem Vortrag zum Thema „Depression – Fakten und Mythen“ Einblick in das seelische Leiden, das alle Altersgruppen betreffen kann – Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Seligenstädter Bündnis gegen Depression: Symptome sind vielgestaltig
„Depression ist vielgestaltig mit vielen Symptomen. Es tauchen 150 Themen auf, mit denen eine Depression einhergeht“, erläuterte Repple. „Viele empfinden den seelischen Schmerz als die schlimmste aller Schmerzarten, die auch als Folter bezeichnet werden kann.“ Psychische Erkrankungen sorgten ihm zufolge in den letzten 25 Jahren vermehrt für Fehlzeiten in der Arbeitswelt. Und die Depression gehe oftmals mit Suizidgedanken einher, legte Professor Repple bedrückende Zahlen vor: 70 Prozent der Betroffenen haben Suizidgedanken, 15 Prozent der schwer Depressiven begehen Suizid.
„Aber 60 bis 80 Prozent der Betroffenen kann durch eine Therapie geholfen werden“, machte der Spezialist Hoffnung. Oft gebe es Vorurteile gegenüber Antidepressiva, sie veränderten die Persönlichkeit oder machten abhängig. Dem sei aber nicht so, berichtete Repple zudem von neuen Therapien und neuen Medikamenten.
Nach der Pause gab eine Betroffene, die bereits in ihrer Kindheit und als Schülerin unter Depressionen litt, tiefe Einblicke in das Seelenleben einer Erkrankten. Ein längerer Klinikaufenthalt, bei dem sie sich mit Betroffenen austauschen konnte, sorgte für Linderung, und nun weiß sie gut mit ihrem seelischen Leiden umzugehen.
Bündnis gegen Depression plant 30 Veranstaltungen in Seligenstadt und Umgebung
Im Anschluss stellte die Vorsitzende, die Seligenstädter Diplom-Psychologin Marion Sehr, das von ihr ins Leben gerufene Bündnis gegen Depression vor, verwies auf die vielen Infos in den Flyern und gab zudem Ausblicke in die anstehenden Veranstaltungen. „Jeder, auch aus der Region, kann unsere Hilfsangebote wahrnehmen. “
Das Bündnis und seine ehrenamtlichen Helfer gestalteten am Mittwoch ein mehr als dreistündiges Programm. Für das laufende Jahr sind schon an die 30 Veranstaltungen und Hilfsangebote terminiert. Geplant ist darüber hinaus, Selbsthilfegruppen für Betroffene, Angehörige und Eltern anzubieten. Infos sollen zusammengetragen, Therapiemöglichkeiten, Hilfs- und Selbsthilfeangebote vermittelt und die Aktivitäten ausgebaut werden. Mit der Gründung des jüngsten von bundesweit 90 Bündnissen gegen Depression soll unter anderem durch Fachvorträge und Events das Wissen der Bevölkerung erweitert und suizidalem Handeln vorgebeugt werden. „Unsere Ehrenamtlichen sind stolz darauf, Teil dieser wichtigen Kampagne zu sein und haben seit Monaten mit Hochdruck gearbeitet“, so Marion Sehr.

„Depression ist ein Thema, das uns alle angeht. Und Sie haben viele prominente Unterstützer“, war auch der Schirmherr, Bürgermeister Daniell Bastian, von der Resonanz sehr angetan. „Allein in Deutschland gibt es fünf Millionen Erkrankte. Mit dem Bündnis soll Depression mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden.“
Dass Humor und Depression nicht in Widerspruch stehen, zeigte zum guten Schluss „Badesalz-Urgestein“ Henni Nachtsheim, der ebenfalls Schirmherr des jungen Vereins ist. Mit Auszügen aus seinem Solo-Comedyprogramm hatte er die Lacher auf seiner Seite.