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Trauer-Café in Seligenstadt: „Kann auch mal eine Träne laufen“

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Manchmal müssen sie auch die eigenen Grenzen abwägen: die Seligenstädter Trauerbegleiter (von links) um Hartmut Ehrich, Leni Göhler-Fischer und Monika Schulz.
Müssen manchmal eigenen Grenzen abwägen: die Seligenstädter Trauerbegleiter um Hartmut Ehrich, Leni Göhler-Fischer und Monika Schulz. © büssow

Wer einen nahestehenden Menschen verloren hat, dem bieten Seligenstadts Trauerbegleiter Empathie, ohne sich aufzudrängen.

Seligenstadt – Die Tische sind passend zur Saison gedeckt. Es gibt Kaffee und Kuchen. Die Atmosphäre ist gemütlich und heimelig. Trotz oder gerade wegen des schwierigen Themas. Denn alle Besucher des Trauer-Cafés Seligenstadt haben einen nahe stehenden Menschen verloren.

Seligenstadts Trauerbegleiter: Zuhören als wichtiger Baustein

Seit zehn Jahren können Betroffene an jedem ersten Samstag im Monat ins Haus Wallstraße kommen. Es wird geredet, aber niemand muss sich zu Wort melden. Dann kommt das Kaffeetrinken. „Das muss ja auch sein“, sagt Leni Göhler-Fischer. Sie ist eine von etwa 25 Trauerbegleiterinnen der Hospizgruppe Seligenstadt, hat das Café mit erdacht. Das Angebot der Gruppe geht aber weit darüber hinaus. Neben dem Trauer-Café bieten die Ehrenamtlichen etwa die „GehSpräche“ an, bei denen sie sich für einen ausgedehnten Waldspaziergang mit den Trauernden treffen.

„Wir laufen geradeaus und schauen geradeaus“, sagt der Vorsitzende der Hospizgruppe, Hartmut Ehrich. „Da kann auch mal eine Träne laufen, ohne dass der Nachbar das mitkriegt und gleich wieder versucht, zu trösten.“

Viel wichtiger im Umgang mit den Menschen, die sich an die Gruppe wenden, sei nämlich das Zuhören. Nur so könne überhaupt ergründet werden, was das Gegenüber braucht. Aber auch für die Trauernden sei es wichtig, mit jemandem außerhalb des engeren Umfeldes sprechen zu können. Viele sagen, „ich brauche in meinem Freundeskreis und in der Familie mit meiner Traurigkeit nicht mehr zu kommen“, erzählt Ehrich.

Trauer-Café in Seligenstadt: Haltung zeigen bei Hospizarbeit

Bei der Trauerbegleitung können die Menschen ihren Gefühlen freien Lauf lassen, weil sie eine Erinnerung aufwühlt, sagt Monika Schulz, die für die Koordinierung der Gruppe zuständig ist. Die Trauerbegleiter müssen aber auch die eigenen Grenzen abwägen.

Menschen, die sich Selbstvorwürfe machen und in ihrer Trauer im Kreis drehen, könne man zwar etwas beistehen, aber: „Da muss ganz schnell therapeutische Hilfe ran“, sagt Ehrich.

Hinter all diesem Wissen steht oft langjährige Erfahrung, aber auch Unterricht. 120 Stunden müssen die Ehrenamtlichen in die Ausbildung zum Hospizbegleiter stecken, noch einmal so viele in die Fortbildung zum Trauerbegleiter. Wer etwa mit Kindern arbeitet, muss noch einen Lehrgang draufsetzen. Trotzdem gehe es in der Hospizarbeit nicht nur um das Erlernen von Handwerk, sagt Monika Schulz. „Es geht darum, eine Haltung zu entwickeln. Dem Menschen wertschätzend und empathisch gegenüberzutreten, auch in der Situation, in der er schwach, angreifbar und verletzlich ist.“

Seligenstadt: Trauer-Café jeden ersten Samstag im Monat

Jeder, der sich in diesem Bereich ehrenamtlich betätigen möchte, müsse von Haus aus etwas mitbringen, ergänzt Leni Göhler-Fischer. „Das ist dieses Einfühlungsvermögen. Nicht etwas überstülpen zu wollen.“

Die Gäste im Trauer-Café nehmen das Angebot an – die Gespräche und den Kaffee. Manche kommen schon lange, auch Freund- und Partnerschaften sind so schon entstanden. „Das ist einfach schön zu sehen“, sagt Göhler-Fischer. „Dass diese Menschen den Weg aus der Trauer zurückgefunden haben. (Vincent Büssow)

Das Trauer-Café

Der nächste Termin findet am Samstag, 7. Januar, 15 Uhr, im Haus Wallstraße 38 in Seligenstadt statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

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