1. Startseite
  2. Region
  3. Seligenstadt

Auf Fledermauskasteninspektion mit Hartmut Müller im Seligenstädter Stadtwald

Erstellt:

Kommentare

Kastenfund: Ein Großer Abendsegler, eine männliche Fledermaus wird in der Hand gehalten
Kastenfund: Ein Großer Abendsegler, ein männliches Tier. „Die sitzen faul im Kasten und locken vorbeifliegende Weibchen an“, sagt der Experte. © Hackendahl, Holger

Hartmut Müller von der Arbeitsgemeinschaft Fledermaus und Amphibienschutz (AgFA) gilt als Fledermaus-Experte. Zweimal im Jahr kontrolliert der 68-jährige Naturfreund die bis zu 600 Fledermauskästen in den Wäldern von Hainstadt bis Seligenstadt und Mainhausen. Wir waren mit dem ausgewiesenen Fledermausexperten bei der Kasteninspektion im Seligenstädter Stadtwald unterwegs.

Ostkreis – „In Seligenstadt und Umgebung haben wir bislang 17 verschiedene Fledermausarten festgestellt, 15 leben im Wald, zwei weitere in Seligenstadt“, erzählt Müller. „Hessenweit wurden bislang circa 20 Fledermausarten vorgefunden.“ Das Gros der von der AgFA betreuten und von den Fledertieren bevorzugten Unterkünfte sind Schwegler-Rundkästen. Flachkästen, die das Unterschlüpfen unter die Baumrinde simulieren, sind dagegen eher selten in den Waldstücken zu finden. „Einen Teil der Fledermauskästen hat die Behindertenwerkstätten Hainbachtal in Offenbach für uns hergestellt. Die Mopsfledermaus mag spezielle Flachkästen, die Baumrindenquartiere ähneln, andere Arten bevorzugen hingen mehr die Rundkästen“, so der Experte, der weiß, dass die Fledertiere bis zu fünf Jahre brauchen, bis sie die neuen Behausungen für ihre „Übertragung“ akzeptieren. „Fledermäuse mögen im Wald Quartiere wie etwa alte Spechthöhlen, die nach oben ausgefault sind. Deswegen wollen wir die alten Bäume mit Höhlen und Spalten als potenzielle Fledermausquartiere erhalten“, legt Hartmut Müller, der sich seit 37 Jahren um die dämmerungs- und nachtaktiven Insektenjäger kümmert, ein ums andere Mal seine Leiter an und steigt zu den Kästen herauf.

Hartmut Müller kümmert sich seit 37 Jahren um die Fledermauskästen im Seligenstädter Stadtwald.
Hartmut Müller kümmert sich seit 37 Jahren um die Fledermauskästen im Seligenstädter Stadtwald. © Hackendahl, Holger

Der diesjährige Hitzesommer hat den Fledermausarten wohl nur wenig ausgemacht, hat er festgestellt. „Es gab wohl – das ist meine subjektive Einschätzung – eine Verschiebung der Arten.“ Einige Arten wie die Zwerg- und Mückenfledermaus wurden im Seligenstädter Stadtwald weniger festgestellt, das liege wohl aber auch daran, dass es aufgrund der Trockenheit weniger Stechmücken gab und die sich darauf spezialisierten Arten bei ihrer nächtlichen Insektenjagd mit fürs menschliche Gehör nicht wahrnehmbaren Ultraschalllauten andere Jagdgründe erschlossen haben. „Größere Fledermausarten wie das Große Mausohr profitierten hingegen in diesem Jahr – da es viele Käfer gab“, hat der Seligenstädter Fledermausexperte festgestellt, während er die Leiter an eine stattliche Buche anlegt. „Mit der Weißrandfledermaus wandert derzeit eine neue Art aus Süddeutschland in unsere Region ein. In Aschaffenburg wurde diese Art bereits nachgewiesen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch bei uns in Seligenstadt auftaucht.“

Bereits bei den ersten fünf Kastenkontrollen hat Müller Fledertiere gefunden, trägt die Art und Stückzahl oder auch Funde wie Fledermauskot in seine Liste ein. „Das hier ist ein Großer Abendsegler, ein männliches Tier, die sitzen faul im Kasten“, leuchtet er in die Kuppel des geöffneten Fledermauskastens hinein. „Sie warten ab Ende August auf vorbeifliegende Weibchen, die von ihrer Insektenjagd im Sommer aus dem Baltikum zurückkehren. Sie locken die Weibchen mit Rufen in den Kasten, markieren und begatten sie“, weiß der Experte.

Einige Minuten später, nachdem Müller erneut die Leiter zu einem Kasten hochgestiegen war: „Das ist eine Wochenstube drin. Ich schätze mal 22 Fransenfledermäuse – allesamt Weibchen mit ihren Jungtieren.“ Nach dem Öffnen von fünf Kästen hatte er bereits zwei Arten festgestellt. In fast allen Kästen findet der Experte zudem Kot der Fledertiere - ein weiterer Beleg dafür, dass die zumeist an alten Buchen aufgehängten Kästen sehr gut angenommen werden. „Ich hatte auch schon mal Tage, da hatte ich 60 Kästen kontrolliert und keine einzige Fledermaus gefunden.“

Eine Wochenstube mit 22 Fransenfledermäusen - allesamt Weibchen mit ihren Jungtieren.
Eine Wochenstube mit 22 Fransenfledermäusen - allesamt Weibchen mit ihren Jungtieren - gehört bei der jüngsten Kontrolle zu den spektakulären Funden. © Hackendahl, Holger

Früher habe er sich besonders für Amphibien interessiert, dann traf er im NABU Seligenstadt auf Professor Bruno Deiss, der dieses Fledermaus-Monitoring im Stadtwald initiierte und ihn für die Fledertiere begeisterte, blickt Hartmut Müller zurück. „Wir haben uns gemeinsam in die Welt der Fledermäuse eingearbeitet. Zusammen hatten wir die Kästen kontrolliert, und schließlich habe ich auch mit Fledermausführungen angefangen.“

Die zahlreichen Waldbrände im Hainstädter Wald könnten übrigens auch Auswirkungen auf die Fledertiere gehabt haben. „Fledermäuse ziehen ihren Nachwuchs von Anfang Juni bis Mitte August auf. Wenn dann Bäume brennen, verbrennen die Jungtiere in ihren Quartieren“, sagt Müller und berichtet, dass junge Fledermäuse in den ersten sechs Wochen ihres Lebens noch flugunfähig sind. Aktuell verfolgen der Experte und seine für den Fledermausschutz aktiven Mitstreiter ein neues Projekt. Die Mainflinger Bunker werden zu Fledermausüberwinterungsquartieren umgebaut. Zwei der fünf Bunker sind bereits weitgehend fertiggestellt, die drei restlichen könnten bis Ende Oktober eventuell auch als Winterquartier funktionsfähig gemacht werden.

Auch interessant

Kommentare