Interview: Frank Lortz über Erinnerungen, Erfahrungen und Erkenntnisse

Landtagsvizepräsident Frank Lortz aus Froschhausen feiert ein ganz besonderes Jubiläum: Am 1. Dezember gehört er dem Hessischen Landtag 40 Jahre an.
Seligenstadt –Er ist damit über alle Parteigrenzen hinweg seit 1946 der dienstälteste Abgeordnete aller Zeiten im höchsten hessischen Verfassungsorgan. Im Interview äußert er sich zu Befindlichkeiten, Freunden und Feinden sowie das Altern.
Die Landtagspolitik der 1980er Jahre, die Landtagspolitik heute – wo liegen die gravierendsten Unterschiede?
Auseinandersetzungen in der Sache waren in den 80er-Jahren härter. Bis 1987 gab es ständig keine klaren Mehrheiten. Dies war für die inhaltliche Politik nicht förderlich. Aber jede Zeit hat auch ihr Gutes.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag im Landtag erinnern?
Ganz genau. Am 1. Dezember 1982 konstituierte sich der Landtag. Als jüngster Abgeordneter hatte ich die Ehre, den ganzen Tag die Funktion des Schriftführers im Präsidium wahrzunehmen.
40 Jahre im hessischen Landtag – ein halbes Menschenleben. Wie sehr hat diese Zeit an diesem Ort Sie als Mensch geprägt?
Man handelt überlegter und besonnener. Ich habe immer wieder festgestellt, dass man felsenfest zu seiner Meinung stehen muss. Auch wenn es nicht gerade populär ist.
Müssen anfangs turbulente Zeiten gewesen sein damals. Holger Börner und seine Dachlatte, Joschka Fischer und seine Turnschuhe. Dann die erste rot-grüne Koalition. Wie war der Oppositionspolitiker Lortz damals positioniert?
Mit Ministerpräsident Holger Börner – im Übrigen auch mit all seinen Nachfolgern – war ich per Du. Mir hat imponiert, dass er der SPD in Hessen in schwerer Zeit Halt gegeben hat. Mit Joschka Fischer habe ich zusammen in der Landtagsmannschaft Fußball gespielt. Aber der damalige Oppositionspolitiker Frank Lortz konnte in der Debatte auch hart, klar und deutlich die CDU-Position vertreten.
Politiker haben ihre Lieblingsgegner, haben wir gehört. Wer war/ist der Ihre im Parlament? Gibt´s richtig gute Freunde über Parteigrenzen hinweg?
Lieblingsgegner und gleichzeitig persönlich guter Freund war der frühere Justizminister der Grünen, Ruppert von Plottnitz. Ich habe viele gute Freunde über alle Parteigrenzen hinweg. Nicht nur in Wiesbaden. Dies gilt auch hier. Mit dem Ehrenbürgermeister Rolf Wenzel und dem Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Werner Müller – um zwei Beispiele zu nennen – bin ich persönlich befreundet.
Was haben Sie selbst in all den Wiesbadener Jahren mit besonderem Engagement politisch markant verändern können? Worauf sind Sie deshalb besonders stolz?
Das sind natürlich in dem langen Zeitraum viele Dinge. Eine sehr gute Unterrichtsversorgung an den Schulen lag mir immer am Herzen. Zumal die Verhältnisse dort früher schlimm waren. Die Belange und Anliegen des Wahlkreises und des Kreises Offenbach habe ich stets offensiv und mit Nachdruck vertreten. Und hatte Erfolg dabei. Dabei habe ich mich nie verbiegen lassen.
Sie sind bekannt dafür, die Interessen ihrer Wählerschaft mit Nachdruck und manchmal recht konsequent zu verfolgen. Gelegentlich auch gegen die eigene Partei. Wann hat´s da mal richtig gekracht?
Kein einziges Mal handelte ich gegen meine Überzeugung. Der eigenen Partei habe ich ab und an empfohlen, nicht zu überheblich und arrogant zu sein. Die geplante „Giftmülldeponie“ in Mainhausen habe ich gegen das Votum meiner Fraktion bekämpft und am Schluss recht behalten und gewonnen. Im Übrigen sollte man nie vergessen, dass auch der politische Wettbewerber zuweilen recht haben kann.
Als Landtagsvizepräsident haben Sie seit 2003 eine privilegierte Stellung. Wie sehr musste sich der CDU-Landtagspolitiker Frank Lortz damals umstellen?
Von 1999 bis 2003 war ich als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU haushalts- und finanzpolitischer Sprecher. In jeder Plenarsitzung musste ich mehrmals ans Rednerpult. Wenn ich heute die damaligen Protokolle nachlese, muss ich schon schmunzeln. Seit 2003 mit meiner Wahl zum Vizepräsidenten habe ich mich aus der operativen Debatte im Landtag ziemlich zurückgezogen. Ich repräsentiere das ganze Parlament und damit auch alle Abgeordneten. Und als dienstältester MdL in Hessen über alle Parteigrenzen hinweg gibt man gern Erfahrungen an junge Kolleginnen und Kollegen weiter.
Welcher Ihrer „Staatsgäste“ in Wiesbaden hat Ihnen am meisten imponiert?
Viele Staatsgäste waren bemerkenswert. Ein Regionalpolitiker aus China – vergleichbar mit einem Landrat in Deutschland – berichtete mir über Probleme, in seinem Kreis, der rund 85 Millionen Einwohner hatte. Da lernt man auch Demut und erkennt, dass wir mit 6 Millionen Hessen und auch mit gut 80 Millionen in der Bundesrepublik nicht der Nabel der Welt sind.
Vor allem aus Seligenstadt und Mainhausen setzt es Kritik an der Landesregierung, sie unterstütze die Kindergartenbetreuung viel zu wenig, auch im Vergleich zu anderen Bundesländern. Sie haben mehr als 400 Schulbesuche absolviert, kennen die Probleme sehr genau. Warum kümmern Sie und Ihre CDU sich nicht mehr um eine angemessene anteilige Finanzausstattung für die Jüngsten in der Gesellschaft?
Städte und Gemeinden jammern immer und stellen Forderungen in Richtung des Landes. Im Übrigen stellen die Länder ähnliche Forderungen an den Bund. Die Mittel für den kommunalen Finanzausgleich waren in Hessen noch nie so hoch wie heute. Die von der CDU geführten Landesregierungen haben die Voraussetzungen für die Kostenübernahmen der Eltern in den Kindertagesstätten geschaffen. Aber ich weise darauf hin: Kindergartenbetreuung ist auch und gerade kommunale Verantwortung. Trotzdem: Ich kenne das politische Spiel und bin da sehr nachsichtig. Zumal ich die Arbeit von Bürgermeister Dr. Bastian in Seligenstadt und Bürgermeister Simon in Mainhausen schätze.
Sie sind Jahrgang 1953 und wollen tatsächlich noch einmal antreten. Warum?
Ich bin Kreisvorsitzender der CDU Offenbach-Land. Wir sind einer der größten und mit drei Landtagsabgeordneten, zwei Bundestagsabgeordneten, dem direkt gewählten Landrat und der Ersten Kreisbeigeordneten einer der erfolgreichsten Verbände der CDU in ganz Hessen und darüber hinaus. Mir macht es noch Spaß, die Interessen der Menschen und der Kommunen im Wahlkreis zu vertreten. Ich empfinde meine Aufgabe als Anwalt der Vereine und ich helfe allen Schulen usw. Die Mitglieder und Delegierten der CDU aus Seligenstadt, Hainburg, Mainhausen, Rodgau und Rödermark haben mich jetzt gerade am 19. November mit 107 von 107 Stimmen in geheimer Wahl gewählt und gebeten, wieder anzutreten. Also: Auf ein Neues!
Macht und Einfluss sind die Drogen der Politik - wie süchtig sind Sie?
Ich bin überhaupt nicht süchtig nach irgendwas. Wer viel macht und sich für andere einsetzt, erhält auch viele positive Reaktionen zurück. Das motiviert mich natürlich weiter, im Landtag und in vielen Ehrenämtern auch in der Zukunft aktiv zu sein. Man muss gesund bleiben und der oberste Vorgesetzte im Himmel muss die Hand über einen halten.
Wann ist man als Politiker alt?
Wenn man sich alt, müde und ausgelaugt fühlt. Wer politisch tätig ist – unabhängig vom Alter – muss sich bei seinen Aktivitäten wohlfühlen. Aber ich habe mit Jürgen Harrer – dem CDU-Vorsitzenden aus Hainburg – einen sehr guten Stellvertreter, auf den ich mich 100 Prozent verlassen kann. Er wird zu gegebener Zeit mein Nachfolger im Landtag.
Das Interview führte Michael Hofmann.