Friedhofsgebühren: FWS übt Kritik an massiver Kostensteigerung

Die Stadt Seligenstadt hat in ihrer jüngsten Stadtverordnetenversammlung die Friedhofsgebühren drastisch erhöht. Für ein Erdrasenreihengrab müssen Bürger künftig 115 Prozent mehr bezahlen. Kritik an dieser Kostensteigerung haben die Freien Wähler geübt.
Seligenstadt – Es ist schwer, einer so weitreichenden Beschlussfassung wie der Erhöhung der Friedhofsgebühren gerecht zu werden, wenn betriebswirtschaftliche Kostenkalkulation, Wirtschaftlichkeitsberechnung und die Deckungsvorgaben eines Gebührenhaushalts als fast unverrückbare Größen einem Austausch der Argumente oder einer Kompromissfindung kaum Spielraum lassen. So geschehen am Montagabend in der Seligenstädter Stadtverordnetenversammlung. Mit zwei Ergänzungen beschlossen CDU-/FDP-Mehrheit, SPD und Grüne gegen das energische Votum der Freien Wähler (FWS) eine neue Gebührensatzung mit teilweise drastischen Kostenanhebungen.
Die ist nach nur gut vier Jahren erforderlich geworden, weil die Vorgängerversion aus dem Jahr 2018 noch keine betriebswirtschaftliche Kostenkalkulation zu den seit langer Zeit allseits gewünschten diversen neuen Bestattungsarten (pflegefreie Baumgrab-Urnenanlage, pflegefreie Urnengemeinschaftsgrabanlagen und anonymes Urnengemeinschaftsgrab) enthielt. Alles in allem, so klagten die Freien Wähler (FWS), seien nunmehr die Friedhofsgebühren für die Nutzungsrechte „drei- bis viermal so hoch wie noch 2017“. Bei einer Erdrasenreihengrabstätte bedeute das eine Steigerung von 800 Euro (2017) auf 1 325 Euro (2018) und jetzt 2 835 Euro, rechnete FWS-Fraktionschef Matthias Rupp in seinem Änderungsantrag vor.
Seligenstadt: Freie Wähler kritisierten Kostensteigerungen bei Friedhofsgebühren
Die FWS war die einzige Fraktion, die die aufgrund der Wirtschaftlichkeitsberechnung einer Beraterfirma ermittelten teilweise markanten Anhebungen bis zu 114 Prozent im Grundsatz kritisierten. Doch der FWS-Änderungsantrag erfuhr in der wesentlichen Passage eine mehrheitliche Ablehnung.
Vergeblich hatten Rupp und sein Fraktionskollege Hagen Oftring zuvor für eine Überarbeitung der „Kostenexplosion“ plädiert und auf eine Reihe selbst errechneter Alternativbeträge verwiesen. Die geplante Anhebung der Kosten mache das Bestatten im regionalen Vergleich nicht nur teuer und damit unattraktiv, sei zudem für sozial schwache Bürger finanziell kaum noch zu stemmen. Seligenstadt, so die FWS-Argumentation, solle mit zeitgemäßen, innovativen und günstigen Bestattungsarten die Gebühren einigermaßen stabil halten, „sonst halten Betroffene nach Alternativen Ausschau“.
Diese Gefahr sah FDP-Fraktionsvorsitzende Susanne Schäfer nicht. „Am Ende bleibt man doch im Heimatort.“ Außerdem vermittelten die Anlagen - entgegen einiger früheren CDU-Pressemitteilungen - einen guten und gepflegten Eindruck. Die Alternative zu den nach betriebswirtschaftlichen Berechnungen erhobenen Kosten bestehe darin, mit dem Gießkannenprinzip alle Bürger zu belasten. Das sei, so räumte Schäfer ein, eine politische Entscheidung. Die FDP stimme allerdings für den Magistratsvorschlag.
Bisherige Gebühren - neue Beiträge:
Die Gebühren-Gegenüberstellung im Seligenstädter Friedhofs- und Bestattungswesen der Einhardstadt aus dem Jahr 2018 und der jetzt beschlossenen Version zeigt schnell, dass die Beträge fast durchgängig angehoben worden sind. Der Magistrat verweist auf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Bei einigen der Kostenstellen sind die Anhebungen jedoch besonders gravierend. So kostete die Bestattung Verstorbener ab vollendetem fünftem Lebensjahr bislang 507,20 Euro, nunmehr 1082,20 Euro (plus 88,2 Prozent). Das Nutzungsrecht einer Endreihengrabstätte (25 Jahre) kostete bislang 1325 Euro, nunmehr 2275 Euro (plus 71,7 Prozent). Das Nutzungsrecht Urnenrasenreihengrabstätte (pflegefrei, 15 Jahre) kostete bislang 438 Euro, jetzt 843 Euro (plus 92,5 Prozent). Die Räumung einer Urnenerdgrabstätte kostete bisher 220 Euro, jetzt 358,70 Euro (plus 63 Prozent). (mho)
Von „massiven Kostensteigerungen und einer starken Belastung der Bürger“ sowie der Abdeckungspflicht bei Gebührensatzungen sprach auch Silke Rückert-Urban (Grüne), die es ebenfalls ablehnte, die Allgemeinheit für nicht gedeckte Kosten zahlen zu lassen.
Änderungswunsch der FWS fand Zustimmung bei den anderen Fraktionen
Auch Stephan Wallisch (CDU) sprach sich für die kostendeckende Kalkulation des Magistrats aus und präsentierte einen CDU-Änderungsantrag: Demnach soll statt der vorgeschlagenen Erhöhung der Trauerhallennutzung auf 159 Euro diese Gebühr auf 100 Euro gesenkt werden. Die Trauerhallen, so die CDU-Argumentation, werden seit Jahren aufgrund der Kosten immer weniger genutzt, verteuern sich damit bei jeder neuen Kalkulation. „Diesem Trend soll mit der Senkung der Nutzungsgebühr entgegengewirkt werden.“ Dieser Initiative stimmt das Plenum zu, nur die Grünen sprachen von einem „Schaufensterantrag“ und votierten dagegen.
Einhellige Zustimmung fand indes ein Änderungswunsch der Freien Wähler. Demnach soll „die Bestattung einer Frühgeburt unter sechs Monaten, für die keine besondere Grabstätte in Anspruch genommen wird, gebührenfrei bleiben.“
Viele Faktoren tragen zur Kostensteigerung bei Friedhofsgebühren in Seligenstadt bei
Eine ganze Reihe von Faktoren verursachen die teilweise drastische Anhebung der Begräbniskosten, darunter auch einige strukturelle. Darunter fallen die Aufwendungen der Stadtwerke, die für deren Leistungen abgerechnet werden. Bisher wurden diese Leistungen im städtischen Haushalt etatisiert, seit 2019 werden sie vom Eigenbetrieb berechnet und angefordert. Zudem, so argumentiert der Magistrat, müsse „der Aufwand für Erdbestattungen auf eine immer geringer werdende Zahl von Sargbestattungen verteilt werden, sodass sich die einzelne Leistung erhöht.“ Auch erhöhe sich der gemeindliche Anteil an der Friedhofsfläche, dies ist der Anteil, der nicht für Bestattungen zur Verfügung steht (Wege, Gebäude, Freiflächen) und bei dem absehbar ist, dass er in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht für Bestattungen benötigt wird.
Einstimmig und ohne weitere Diskussion befürwortete die Stadtverordnetenversammlung einen zweiten Antrag zum Thema Friedhof. Dabei geht es um diverse neue Bestattungsformen.