Gedenkstätte für KZ-Überlebende aus Seligenstadt gefordert

Sally und Isaak Hamburger haben den Nazi-Terror im KZ überlebt und kehrten danach wieder in ihre Heimatstadt Seligenstadt zurück. Mit einer Gedenkstätte wollen CDU und FDP an sie erinnern.
Seligenstadt – Der kleine Platz an der Ecke Steinheimer Straße und Schafgasse soll als Gedenkstätte für die Brüder Hamburger eingerichtet werden. Mit diesem Antrag wollen die beiden Koalitionsfraktionen CDU und FDP an die jüdische Familie erinnern. „Sally und Isaak Hamburger sind die einzigen nachweislichen jüdischen Mitbürger der Stadt, die den Terror der Nationalsozialisten im Konzentrationslager Theresienstadt überlebten und in ihre Heimat zurückkehrten. Hier bereicherten beide als Musiker (Sally Hamburger) und Dirigent (Isaak Hamburger) noch viele Jahre das kulturelle Leben unserer Stadt“, so der Antragstext.
Nach dem Willen der Koalition soll der Magistrat nun prüfen, wie der kleine Platz als Gedenkstätte für die Brüder Hamburger hergerichtet werden kann. Die Arbeitsgemeinschaft Stadtbild sowie eine aktive Schülergruppe der Einhardschule sollen in das Verfahren einbezogen werden.
Gedenkstätte in der Nähe des Hauses Hamburger in Seligenstadt denkbar
Nach Ansicht der Koalitionsfraktionen könnte eine Gedenkstätte in der Nähe des Hauses Hamburger entstehen, um einen direkten Bezug herzustellen. „Diese könnte eine Bank und einen Gedenkstein enthalten.“
Schon vor der Koalition hatte die Bürgerinitiative (BI) Synagogenplatz Seligenstadt die Initiative ergriffen und Bürgermeister Daniell Bastian sowie die Stadtverordnetenfraktionen gebeten, ein Mahnmal für die deportierten Juden „in Form eines in Stein gehauenen Koffers“ zu diskutieren. Ein Mahnmal, das der frühere Amtsleiter Peter Fischer in Collenberg bei Miltenberg entdeckte, dient als Vorbild. „Solche Koffer soll es noch an anderen Orten geben (...) Dabei sollte mit einem solchen Gedenkstein an alle Deportierten erinnert werden“, so Hildegard Haas von der Bürgerinitiative Synagogenplatz.
Auch Seligenstädter Bürgerinitiative fordert eine Gedenkstätte
Nach ihren Angaben geht der Antrag von CDU und FDP auf ein Gespräch mit BI-Vertretern zurück, bei dem es vorrangig um BI-Vorschläge für Straßennamen im Neubaugebiet ging. „Wir hatten darum gebeten, ehemalige jüdische Bürger dabei zu berücksichtigen.“ Im Verlaufe des Gesprächs seien auch weitere Möglichkeiten des Gedenkens erörtert worden. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn ein solches Koffer-Mahnmal aufgestellt wird (...) und unterstützen auch weitere Gedenktafeln.“
Einen Vorschlag für die Inschrift hat die Bürgerinitiative Synagogenplatz bereits ausgearbeitet: „Zum Gedenken an die 43 jüdischen Kinder, Frauen und Männer, die am 17. September 1942 von Seligenstadt aus deportiert wurden, und an die, die hier geboren wurden oder hier gelebt haben und von anderen Orten deportiert wurden. Fast alle wurden grausam ermordet oder kamen in Folge der unmenschlichen Transport- und Lagerbedingungen zu Tode.“
Nur zwei deportierte Juden nach Seligenstadt zurückgekehrt
Als Ort für die Aufstellung des Mahnmals schlägt die BI, ebenso wie die Koalition, die Erweiterung am Eingang in die Schafgasse oder alternativ den Bereich neben der Musikschule vor: „Das waren Orte, an denen die Menschen zur Deportation auf Lastwagen verladen wurden.“ Den Vorschlag der Koalition, eine Gedenktafel für die Brüder Hamburger aufzustellen, unterstützt die Bürgerinitiative jedenfalls nach Kräften.
Die beiden Brüder, so die Bürgerinitiative, „waren die Einzigen, die nach grausamen Erfahrungen durch Ausgrenzung, Deportation und Konzentrationslager nach Seligenstadt zurückgekehrt waren und dort ohne Vorbehalte wieder einen Platz im musikalischen Leben der Stadt einnahmen. Isaak Hamburger konnte wieder Musikvereine leiten, nachdem man ihn 1933 als Dirigent aus den Vereinen entfernt hatte. Er schloss niemand aus, auch wenn er dessen Nazi-Vergangenheit kannte.“
Geschichte der Juden in Seligenstadt reicht bis ins Mittelalter
Bis ins Mittelalter lässt sich die Geschichte der Juden in der einst zum Mainzer Oberstift gehörenden Einhardstadt zurückverfolgen. 1924 zählte die jüdische Gemeinde 160 Personen (2,7 Prozent der insgesamt etwa 6 000 Einwohner), 1933 lebten 146 Juden in Seligenstadt. Im Jahr 1941, so die Abhandlungen „Geschichte der jüdischen Gemeinde“, mussten die noch in der Stadt lebenden jüdischen Menschen in „Judenhäuser“ zusammenziehen: Haus Östreich (Schafgasse 4), Haus Klöpfer (Kleine Maingasse 4), Haus Hamburger (Steinheimer Straße 16), Haus Hainebach (Gartenstraße 1).
Vor Beginn der Deportationen lebten noch etwa 45 Juden in der Stadt Seligenstadt. Am 11. September 1942 wurden die Bewohner der „Judenhäuser“ auf Lastwagen verfrachtet und über Sammelstellen in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. (Von Michael Hofmann)