In den Mühlgarten ziehen zwei neue Bewohner ein

Das ehemalige Kloster in Seligenstadt ist ein beliebtes Ausflugsziel. Nicht zuletzt aufgrund der Rhönschafe und Vorwerk-Hühner, die im Mühlgarten leben.
Seligenstadt – Der Vorwerk-Hahn stolziert mit seinen Hennen über die grüne Wiese, die Rhönschafe dösen unter einem blühenden Obstbaum in der wärmenden Morgensonne. So langsam „frühlingt“ es im Kloster- und Konventgarten der ehemaligen Benediktinerabtei Seligenstadt. Wo vor hunderten von Jahren Hirsche als schussnahes Jagdwild auf relativ kleiner Fläche für Kaiser, König und den Mainzer Erzbischof lebten, sind heutzutage – umgeben von vielen Obstbäumen – vier Rhönschafe und an die zehn Vorwerk-Hühner zu Hause.
„Nach der Auflösung des Klosters veränderte sich die Nutzung und die Gestaltung des Mühlgartens mehrfach. In den frühen 1990er-Jahren wurde der Mühlgarten der ehemaligen Benediktinerabtei entsprechend seinem ursprünglichen Zweck umgestaltet und wurde erneut zum Tiergehege“, sagt Bianca Kircher-Limburg, wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Fachgebiet Gärten und Gartendenkmalpflege der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen. „Nun jedoch nicht mehr für Wild, sondern für Schafe, Hühner und Pfaue.“
Zwei Hähne, sechs Hennen und vier Rhönschafe wohnen im Mühlgarten
Unweit einer pünktlich zum Osterfest in den Farben rot und weiß erstrahlenden Tulpenwiese sind auf einem mehrere hundert Quadratmeter großen Areal, umgeben von alten Sandsteinmauern, zwei alte Haustierrassen zu Hause. In ihrem Wesen könnten die einst vom Aussterben bedrohten Tierarten unterschiedlicher nicht sein. Zwei stolze Hähne und ihre sechs Hennen – benannt nach ihrem Züchter Oskar Vorwerk – sind emsig auf der Suche nach Fressbarem. Jeden Abend wandern die Hühner des Mühlgartens zum sicheren Schlafen und zum Schutz vor Füchsen in ihren an den Garten angrenzenden Hühnerstall.

Die Schafe schert die Unruhe indes nicht. In ihrem dichten weißen Fell dösen die vier schwarzköpfigen Rhönschafe in der Frühlingssonne. „Seit Dienstag sind es zwei Schafe mehr, jetzt leben hier vier Tiere, allesamt im Rentenalter“, sagt Bianca Kircher-Limburg. „Eines der vier Schafe hat auch einen Namen.“ Theodora, benannt nach Theo, dem Enkel des Bad Homburger Gärtnermeisters, ist mit einem weiteren Rhönschaf in der Karwoche von Bad Homburg, dem Hauptverwaltungssitz der Staatlichen Schlösser und Gärten, nach Seligenstadt umgezogen.
„Die Rasse der Vorwerkhühner wurde erst um 1900 gezüchtet“, schildert die Historikerin. Die Hühner im Mühlgarten erinnern daran, dass es einst auch einen Geflügelhof im Benediktinerkloster gab, der sich um 1710 noch an der Stelle der später errichteten Klosterorangerie befand.
Seligenstädter Kloster: Mönche aßen viele Eier - außer zur Fastenzeit
Vorwerk-Hühner können bis zu 150 Eier jährlich legen – weit weg von der deutlich höheren Legeleistung moderner Legehühner. „Eier wurden damals im Kloster von den Mönchen viele gegessen“, berichtet die Expertin, „allerdings nicht in der Fastenzeit vor Ostern, in der tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Milch, Käse oder eben Eier tabu waren.“
Das im Mühlgarten unter anderem unter Maulbeerbäumen, Apfel-, Kirsch- und Zwetschgenbäumen grasende Rhönschaf ist eine robuste alte Haustierrasse, die – nach ihrem Ursprung, der Rhön, benannt – bis in die 1950er-Jahre vorwiegend der Wollproduktion diente. In den 1980er-Jahren war die Rasse vom Aussterben bedroht, da die Wolle nicht mehr benötigt wurde.
Inzwischen hat sich der Bestand jedoch soweit erholt, dass Rhönschafe nicht mehr auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen.
Mönche hielten Schafe: Natürlicher Dünger und Rasenpflege
Einmal im Jahr müssen die Tiere geschoren werden. „Das passiert – witterungsabhängig – im Mai oder Juni, wenn nicht mehr mit Kälteeinbrüchen zu rechnen ist“, sagt Bianca Kircher-Limburg. Zu Zeiten der Seligenstädter Mönche weidete die Schafherde des Klosters in Hörstein, wo sich auch die Weinberge des Klosters befanden. In einer Zeit lange vor der Erfindung von Kunstdüngern, wurde der Schafsmist als Dünger für die Weinberge sehr geschätzt. „Zudem beugte die Beweidung durch Schafe Verbuschung vor“, erklärt die Historikerin.

Das Schaf als Nutztier diente dereinst zu betriebsamen Klosterzeiten noch weitaus vielfältiger: Es diente als Fleisch- und Wolllieferant, aus der Schafsmilch wurde Käse produziert, aus der Haut Leder und Pergament.
Für die Besucher ist beim Blick auf die zahmen Bewohner des Mühlgartens der alte Schäferwagen und die lagernden Holzstapel für die Befeuerung des Klosterbrot-Backofens nur von weitem zu sehen. Der Laubengang des Mühlgartens wird in den kommenden Monaten wieder mit einem natürlichen Dach aus rankendem Hopfen zuwachsen. Derzeit können sich die Besucher auf den weißen Ruhebänken aber noch ganz der Frühlingssonne hingeben. (Von Holger Hackendahl)