Krank, versetzt, im Ruhestand: Viele Schulen im Ostkreis Offenbach ohne Leitung

Zahlreiche Schulen im Ostkreis Offenbach sind aktuell ohne Führung. Hessenweit zeichnet sich ein Ähnliches Bild. Doch was ist der Grund für den Schulleiter-Mangel?
Ostkreis – Der Aufgabe wollen sich offenbar nicht mehr viele stellen. Diesen Eindruck könnte gewinnen, wer in Seligenstadt, Hainburg und Mainhausen im Kreis Offenbach einen Blick auf die Zahl der unbesetzten Schulleitungs-Posten wirft. Vier von 13 Schulen im Ostkreis Offenbach, also knapp 30 Prozent, stehen aktuell ohne offiziellen Schulleiter oder Schulleiterin da.
Betroffen von der Schulleiter-Vakanz im Ostkreis sind die Kreuzburgschule in Klein-Krotzenburg sowie Merian-, Konrad-Adenauer und Alfred-Delp-Schule in Seligenstadt. Letztere bildet allerdings eine Ausnahme: Gabriele Adam, die Anfang vergangenen Jahres wegen ihrer Teilnahme an Querdenker-Demos aufgefallen war, ist nach wie vor Schulleiterin, befindet sich aber seit Längerem im Krankenstand. Ihre Aufgaben hat die stellvertretende Schulleiterin Petra Weirauch übernommen.
Schulleiter-Mangel im Ostkreis Offenbach: „Keine Bewerbungen“
Tatsächlich ohne Leitung ist die Kreuzburgschule in Klein-Krotzenburg seit einem Jahr. Zum 31. Januar 2021 ging Rektor Eckhard Finger in den Ruhestand – seitdem ist sein Posten unbesetzt. „Die Schulleitungsstelle wurde zweimal ausgeschrieben, worauf keine Bewerbungen erfolgten“, sagt Susanne Meißner vom Staatlichen Schulamt für Stadt und Kreis Offenbach. „Eine erneute Ausschreibung ist aber in Vorbereitung.“
Dass ein offizielles Oberhaupt fehlt, hat aber „keine Auswirkungen auf den Schulalltag“, sagt Katharina Tröster, die als stellvertretende Schulleiterin die Aufgaben Fingers aktuell übernimmt.
Stellvertretender Schulleiter übernimmt Führungsaufgaben in Seligenstadt (Kreis Offenbach)
Ähnlich sieht es an der Merianschule in Seligenstadt aus. Rektor Günter Urban verabschiedete sich im Sommer in den Ruhestand, sein Posten ist seitdem vakant. Im Hintergrund läuft ein Besetzungsverfahren, wie das Kultusministerium Hessen mitteilt. Das ist ab der Besoldungsgruppe A15 für die Nachfolgesuche zuständig. „Die Stellenausschreibung war vom 25. September bis zum 6. November 2020 veröffentlicht“, sagt Philipp Bender, Pressesprecher beim Kultusministerium.
Zum aktuellen Verfahrensstand könne zwar nichts gesagt werden, die Gremien der Merianschule, also Schulelternbeirat, Schülervertretung, Personalrat des Lehrerkollegiums sowie die Schulleitung, seien aber im vergangenen September über die Art des Verfahrens und zeitliche Abläufe informiert worden. „Es ist unser Ziel, eine Entscheidung schnellstmöglich herbeizuführen“, so Bender weiter.
Kreis Offenbach: Schulleitung an Merianschule in Seligenstadt ebenfalls ausgedünnt
Darauf hofft auch der kommissarische und stellvertretende Schulleiter Martin Bleuel. „Das ist ein Vollzeit-Job. Man hat den ganzen Tag zu tun, nach innen und nach außen.“ Obwohl er statt 26 nur noch neun Stunden in der Woche unterrichtet, hat der Stress für ihn massiv zugenommen. Denn auch die erweiterte Schulleitung ist aktuell ausgedünnt: Konrektorin Katja Jansen ist bis zum Sommer noch ans Kultusministerium abgeordnet. Die gleiche Arbeit verteilt sich auf weniger Schultern als noch im letzten Schuljahr.
Aber selbst wenn eine Entscheidung bald fallen sollte, kann es trotzdem dauern, bis die Merianschule endgültig einen neuen Schulleiter hat. Der oder die Unterlegene könne nämlich immer noch klagen, das Verfahren sich dadurch noch mal zwei, drei Jahre verzögern. „Das ist meine größte Sorge“, sagt Bleuel. „Für eine gewisse Zeit kann man das stemmen, aber irgendwann geht das nicht mehr. Da muss man auf sich selbst aufpassen.“
93 Schulen in Hessen ohne Chef
Hessenweit zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wie eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion in Wiesbaden zeigt: An den hessischen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen waren im vergangenen Herbst 93 Stellen von Schulleitern und 107 Stellen von stellvertretenden Schulleitern vakant. In allen Fällen, in denen die Vakanz einer gesamtverantwortlichen Schulleiterstelle nicht vermieden werden kann, werde die Funktion kommissarisch wahrgenommen, teilte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) mit. Die Angaben des Ministers bezogen sich auf den Statistikstichtag 1. Oktober 2021. (dpa)
Gudrun Bickert hat Konrad-Adenauer-Schule in Seligenstadt zum 1. Februar verlassen
Rektorin Gudrun Bickert hat die Seligenstädter Konrad-Adenauer Schule (KAS) zum 1. Februar verlassen – sie ist versetzt worden. „Die Stelle ist bereits ausgeschrieben“, sagt Schulamtsleiterin Susanne Meißner. Mit Uwe Fritz, dem stellvertretenden Schulleiter, gebe es auch dort eine Übergangsvertretung. „Es gibt bereits einige Bewerberanfragen für die ausgeschriebene Stelle“, so Fritz.
Welche Auswirkungen und Veränderungen Bickerts Weggang auf den KAS-Schulalltag hat, könne aktuell wiederum noch niemand sagen. „Die Corona-Situation wird ihn durch diesen Umstand aber nicht zusätzlich belasten“, stellt der stellvertretende Schulleiter klar. Wie an Kreuzburg- und Merianschule, müssen die Aufgaben, um die sich Rektorin Bickert gekümmert hat, trotzdem umverteilt werden. „Das Kollegium und ich werden versuchen, uns gegenseitig konstruktiv zu unterstützen, um diese neue Situation für alle erträglich zu meistern“, sagt Uwe Fritz.
Üblicherweise erhalten Vertretungen auch frei gewordene sogenannte Deputatsstunden, die sonst die Schulleitung bekommen hätte, teilt das Schulamt mit. In diesen Stunden haben sie dann Zeit, die Aufgaben zu übernehmen – das sorge für eine Entlastung.
Schulamtsleiterin von Stadt und Kreis Offenbach: Mehrere Gründe für fehlende Nachfolge
Dass die Suche nach Nachfolgern so schwer ist, kann mehrere Gründe haben. Zum einen gebe es Stellen, um die sich mehrere Personen bewerben – das verzögere den Auswahlprozess, vor allem wenn es zu Konkurrentenstreitverfahren kommt, so Schulamtsleiterin Susanne Meißner. Außerdem gebe es die Situation, dass Stellen eben mehrfach ausgeschrieben werden müssen.
„Ein möglicher Grund ist, dass immer weniger Menschen bereit sind, die Gesamtverantwortung für die Schule zu tragen“, sagt Meißner. „Die Aufgaben sind vielfältig und herausfordernd. Viele Menschen fühlen sich in der zweiten oder dritten Reihe wohler.“ Martin Bleuel wiederum vermutet, dass auch das Geld eine Rolle spielt. Der Arbeitsaufwand eines Schulleiters oder Rektors sei immens und werde eben nicht immer ausreichend entlohnt.
Aktuell spiele wohl auch die Corona-Situation eine Rolle, so Schulamtsleiterin Susanne Meißner weiter. „Sie erhöht den Druck auf die Schulleitungen. Das ist nicht zu bestreiten. Ob dies jedoch Personen davon abhält, sich um Leitungsstellen zu bewerben, kann nicht eindeutig beantwortet werden.“ (Julia Oppenländer)