Linie 1-Tänzerin Westkemper in Seligenstadt zu Gast

Am ersten Septemberwochenende findet ein besonderes Film-Event im Seligenstädter Turmpalast statt. Auch Linie 1-Tänzerin Westkemper wird dann zu Gast sein.
Seligenstadt – Das „FilmEvent“ im Seligenstädter Turmpalast-Kino zeigt am ersten Wochenende im September den Klassiker „Winnetou 3“ und den Musical-Film „Linie 1“, der vor 35 Jahren im Westen Berlins entstand. Dabei spielt eine Seligenstädterin eine Rolle.
Für die meisten Besucher ist der Beginn des Abspanns im Kino das Signal, die Jacke anzuziehen und den Raum zu verlassen. Vor dem Fernseher schaltet in diesem Moment fast jeder ab oder um oder holt das nächste Getränk. Nicht Joachim Giel, der Initiator des „Film-Event“.
Giel schaute sich bei der Vorauswahl den Film „Linie 1“ aus dem Jahr 1988 an. Der Seligenstädter gehört selbst zu denen, deren Namen ab und zu im Abspann läuft. Als Kameramann fürs ZDF filmte er über Jahrzehnte auch dort, wo es gefährlich werden kann, wie etwa in der iranischen Revolution oder bei den Taliban.
Beim Abspann von Linie 1 hielt Giel inne, als er den Namen „Brigitte Westkemper“ in der Liste der Tänzerinnen fand. So hieß das ältere Mädchen aus der Nachbarschaft an der Matthias-Grünewald-Straße, das irgendwann aus Seligenstadt verschwand. Mit ihrem Bruder Hubert Westkemper hatte Joachim in der Kirche die Schola gesungen, die Mütter waren befreundet.
Joachim Giel rief Brigittes Schwester Hermine an, die seinen Verdacht bestätigte: „Ja, das ist sie“. Nach einer nicht nur gefühlten Ewigkeit nahm Joachim zu Brigitte Kontakt auf.
Am Telefon erzählt Brigitte Westkemper, wie sie 1971 als Physiotherapeutin nach Berlin zog, was die Erlaubnis der Eltern abverlangte. Damals setzte die Volljährigkeit erst mit 21 ein. „Ich wollte weg“, erinnert sich Westkemper, die von einer katholisch dominierten Atmosphäre erzählt; vom Priester, der bei den Eltern auf der Matte stand, nachdem die 16-Jährige beim Amtsgericht aus der Kirche ausgetreten war.
Die eher unkonventionelle Tante führte ein Salamander-Schuhgeschäft im Ort. Weil die jugendliche Brigitte über Wochen nur barfuß durch Seligenstadt lief, bekam die Tante auf der Gasse zu hören: „Kannst Du Deiner Nichte nicht mal Schuhe schenken?“ Mit dem Schuhgeschäft verband sich Brigittes erster Auftritt als Tänzerin, „bei der TGS Seligenstadt stand ich als Feuersalamander Lurchi auf der Bühne“, das Maskottchen der Marke.
Durch den Verein und das Deutsche Turnfest kam Brigitte 1968 das erste Mal nach West-Berlin, „das war die Stadt, in der ich leben wollte“. Die Wettkampfturnerin mit dem feinen Körpergefühl holte das Abitur nach, kellnerte im Café und nahm in der Berliner Tanzfabrik Unterricht. Seit 40 Jahren leitet Westkemper ihr „Studio für Bewegung und Tanz“ an der Oranienstraße in Kreuzberg.
Regisseur Reinhard Hauff, der zuvor „Stammheim“ mit Ulrich Tukur als Andreas Bader gedreht hatte, suchte 1987 Tänzerinnen für seinen Musical-Film „Linie 1“. Die Handlung: Die junge Sunnie zieht es auf der Suche nach Rockstar Johnnie aus der Provinz nach Berlin. Sunnie erlebt auf dem Weg vom Bahnhof-Zoo nach Kreuzberg in der U-Bahn-Linie 1 eine bis dahin unbekannte Welt. Westkemper tanzte erfolgreich vor und sollte eine Punkerin mimen.
„Allerdings machte ich vor den Dreharbeiten Urlaub in der Türkei“, erinnert sich die Wahl-Berlinerin. Die Punkerin sollte nach drei Päckchen Gauloises ohne Filter pro Tag aussehen, „ich kam aber gut erholt und braungebrannt zurück“. Westkemper schlüpfte in über zehn Rollen, gab die Frau auf dem Bahnsteig oder die Prostituierte in Kreuzberg. Wenn Westkemper über den Regisseur Reinhard Hauff spricht, dann klingt das, als erzähle ein ehemaliger Fußballspieler von seinem früheren Trainer Jürgen Klopp, „Reinhard nahm jeden von uns wahr und strahlte eine Menschlichkeit aus, die es in der Branche eigentlich nicht gibt“. Die Tänzerin besuchte die Heimat selten, „nur zu großen familiären Anlässen“. Auf Einladung von Film-Event-Initiator Giel kommt Brigitte Westkemper jetzt auch ohne Hochzeit oder Todesfall, zur Vorführung von „Linie 1“ am 3. September um 13 Uhr im Turmpalast-Kino.