Neues Landesgesetz „ist Murks“
Seligenstadt - Über „gebührenfreie Bildung für alle, von Anfang an“ diskutierten Vertreter der SPD im St. -Josefshaus. Thema war das neue Landesgesetz zur Gebührenfreiheit in Kitas (sechs Stunden pro Tag für Drei- bis Sechsjährige).
„Das neue Gesetz ist Murks.“ Diese Einschätzung formulierte Landtagsabgeordneter Corrado Di Benedetto in der Diskussion mit SPD-Kollegen und interessierten Besuchern im Jakobsaal des St.-Josefshauses. Di Benedetto hatte den sozial- und familienpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Gerhard Merz, nach Seligenstadt mitgebracht und auch den Kreisbeigeordneten und Sozialdezernenten des Kreises Offenbach, Carsten Müller, zu der Diskussionsrunde eingeladen. SPD-Unterbezirksvorsitzender Ralf Kunert moderierte.
Für Gerhard Merz erfordert es die Chancengleichheit für alle, dass jedes Kind ab dem ersten Geburtstag und für alle Betreuungszeiten eine geeignete und qualifizierte Einrichtung besuchen kann. Dazu nannte Merz vier Bausteine: Vollständige Gebührenfreiheit, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Eltern, bessere Qualität in Kitas und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, höhere und zuverlässige Landeszuschüsse, einfache Zuschussregelungen statt komplizierter Berechnungsschlüssel und aufwendiger Bürokratie.
Die SPD-Fraktion im hessischen Landtag hatte im November 2017 ein Gesetz zur Chancengleichheit und Qualitätsverbesserung eingebracht. Die Fassung, die die schwarz-grüne Mehrheit nun verabschiedete, ist aus Sicht der Sozialdemokraten Augenwischerei und beseitigt die Probleme nicht. Nachgefragt werde mehr und mehr eine acht- bis neunstündige Betreuung, das Gesetz sieht die Gebührenfreiheit aber nur für sechs Stunden vor. Leitungsaufgaben seien nicht berücksichtigt, Freistellungen nicht vorgesehen. Auch die Probleme zusätzlichen Personalbedarfs seien übergangen worden. Wie anwesende Kita-Mitarbeiter aus Seligenstadt und Umgebung bestätigten, ist die Personaldecke jetzt schon sehr dünn. Viele können sich noch darin erinnern, wie in den vergangenen Jahren immer wieder ganze Kitas schließen, die Öffnungszeiten verkürzen oder sich mit Aushilfskräften behelfen mussten, weil zu wenig Fachkräfte in den Betreuungseinrichtungen angestellt sind.
Alle Gesprächsteilnehmer stimmten in der Einschätzung überein, dass das verabschiedete Gesetz weder die Kommunen entlasten noch die Kinderbetreuung verbessern werde. Der SPD-Entwurf hingegen sehe vor, dass zwei Drittel der Betriebskosten oder 82,5 Prozent der Personalkosten einer Kita oder eines Horts vom Land übernommen werden.
Sozialdezernent Carsten Müller hatte konkrete Zahlen zum weiter wachsenden Bedarf im Kreis Offenbach mitgebracht. Schon derzeit gebe es eine Unterdeckung an U3-Betreuungsplätzen von 16 Prozent. Hinzu kommen steigende Geburtenraten und Zuzug von Familien mit kleinen Kindern. „Wir wissen jetzt schon, dass wir im Kreis in fünf Jahren mindestens 3 000 Grundschüler mehr haben werden“, so Müller. „Diese Kinder werden vorher Kandidaten für die Kinderbetreuungseinrichtungen sein.“
Die Bezahlung und die wenig anerkannte Ausbildung tragen dazu bei, dass es schwer sei, genügend geeignete Erzieher zu finden. Die Grundbedingungen seien so schlecht, dass 20 bis 25 Prozent der Absolventen der Fachschulen gar nicht in diesem Beruf arbeiten. In Seligenstadt hatte die Mehrheitskoalition aus SPD, FDP und FWS in der vergangenen Woche vermeldet, dass die Stadt die Gebühren für Kindergärten gänzlich abschaffen will, da das Landesgesetz nicht weit genug gehe. Auch eine Qualitätsverbesserung stellten Koalitionäre und Bürgermeister in Aussicht. (zte)